Europäische High Yield-Anleihen – im Spiel bleiben, aber nicht „All-In“ gehen

Bereits Ende letzten Jahres hatten wir berichtet, dass der High Yield-Markt günstig bewertet war, als die Kreditspreads die Marge von 1.000 Basispunkten überschritten. In der Vergangenheit war dies ein relativ robustes Zeichen für positive Marktaussichten, was auch dieses Mal der Fall war. Um es in der Pokersprache auszudrücken: Man hat ein Full House auf der Hand, die Chancen stehen ausreichend gut und selbst wenn man den Spielausgang nicht genau vorhersagen kann, so lohnt es sich doch, einen einigermaßen hohen Einsatz zu machen.

Der europäische High Yield-Markt hat einen relativ steinigen Weg zurückgelegt und seit Jahresbeginn bis dato eine Gesamtrendite von 20,1 Prozent* erzielt. Demgegenüber legte der S&P 500 um 15,8 Prozent, der Euro Stoxx 50 um 10,4 Prozent und der FTSE 100 um 4,8 Prozent zu. Ehrlich gesagt, übertrifft dieses Ergebnis unsere Erwartungen. Angetrieben wurde die Entwicklung in einem ansonsten für das Wirtschaftswachstum schwachen Jahr primär durch die Maßnahmen der EZB (ein Großteil der Rendite wurde im ersten Quartal dank des LTRO-Programms erzielt), die Aussage von Mario Draghi, „alles Erforderliche zu tun“, sowie weitere Liquiditätsspritzen.

So weit, so gut. Die Frage, die sich aber jetzt stellt, ist die nach der weiteren Entwicklung des High-Yield-Bereichs. Halten die zweistelligen Renditen noch einige Monate an?

Will man hier eine Antwort wagen, muss man sich zunächst einige wesentliche Bewertungssignale anschauen. In Bezug auf die Gesamtrendite ist der High Yield-Markt nicht allzu weit vom niedrigsten Stand seit etlichen Jahren entfernt. Gegenüber dem im Februar 2005 erreichten 10-Jahres-Tiefstand von 5,3 Prozent liefert der europäische Markt derzeit eine Rendite von rund 7,3 Prozent bis zum Ende der Zinsbindungsdauer**. Vor diesem Hintergrund könnten die Zinsen weiter fallen, der Umfang dieser Entwicklung wird jedoch nicht ausreichen, um Kapitalgewinne auf dem Niveau der letzten Monate zu generieren.


Wer also an dieser Stelle des Zyklus High Yield kauft, um hohe Kapitalgewinne zu erzielen, wird vermutlich enttäuscht werden. Um zum Beispiel einen Kapitalgewinn von rund 16 Prozent zu erzielen, müssten die Renditen durchschnittlich auf rund 2 Prozent zurückgehen. Bedeutet dies nun, dass man High Yield ganz schnell verkaufen muss? Antwort: Nein, denn für so eine Einschätzung müsste man entweder einen starken Anstieg bei den zugrunde liegenden Staatsanleihenrenditen, eine umfangreiche Neueinpreisung der Kreditspreads oder eine Kombination aus beidem erwarten.

Bei den Renditen von Staatsanleihen könnten wir durchaus einen Anstieg gegenüber dem derzeitigen Niveau erleben, dieser wird meiner Meinung nach jedoch begrenzt sein. Ich gehe nicht davon aus, dass die 10-Jahres-Renditen bei US-Schatzanleihen, Bundesanleihen oder britischen Gilts in nächster Zeit über 5 Prozent steigen werden. Die politischen Entscheidungsträger haben sehr deutlich zu erkennen gegeben, dass sie weiter an den Märkten intervenieren werden, um die langfristigen Zinsen vorerst niedrig zu halten. Die Hauptsorgen sind das nominelle Wirtschaftswachstum und die Arbeitsmarktentwicklung und nicht das Risiko eines Inflationsanstiegs. Eine etwaige Aufwärtsentwicklung bei Staatsanleihenrenditen dürfte also begrenzt sein und damit einhergehende Kapitalverluste sollten bei hochrentierlichen Anleihen deshalb relativ milde ausfallen. Um diese Entwicklung richtig einordnen zu können, muss man bedenken, dass die modifizierte Duration des europäischen High Yield-Markt derzeit 3,1 Jahre** beträgt und der Kapitalverlust bei einem allgemeinen Anstieg der Staatsanleihenrenditen um 1 Prozent unter ansonsten gleichen Bedingungen bei rund 3 Prozent liegen würde. Rechnet man einen Kreditspread von 6,7 Prozent hinzu und geht davon aus, dass es nicht zu hohen Ausfallraten kommt (was man zugegebenermaßen nie wissen kann), würde High Yield immer noch eine positive Gesamtrendite liefern.

Ein wichtigerer Katalysator für die Renditen dieser Assetklasse ist die Entwicklung der Kreditspreads und der Ausfallraten. Gegenüber den in der vorherigen Grafik dargestellten Gesamtrenditen sind die Kreditspreads noch weit von ihren Tiefstständen entfernt, wie die nachstehende Grafik zeigt. Die zusätzliche Rendite gegenüber Staatsanleihen betrug Ende August 7,4 Prozent, während sie im Mai 2007 bei 1,9 Prozent gelegen hatte. Somit scheint reichlich Spielraum für eine Verengung der Spreads mit gleichzeitigem Potenzial für Kapitalgewinne zu bestehen.


Muss man sich deshalb ganz schnell mit High Yields eindecken? Auch hier lautet die Antwort nein. Die Kreditspreads muss man vor dem Hintergrund des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds in Europa sehen. Etliche europäische Länder stecken fest in einer Niedrig- oder Null-Wachstumsphase, Kredite werden eher ungern vergeben. Diese Realität müsste sich im Preis (dem Spread) niederschlagen. Anleger sollten letzten Endes einen Aufschlag verlangen, der sie angemessen für die mit dieser Assetklasse verbundene Illiquidität und einen moderaten Anstieg der Ausfallraten entschädigt. Vor diesem Hintergrund ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Spreads in nächster Zeit in die Nähe des Niveaus vom Jahr 2007, sprich von 1,9 Prozent kommen. Außerdem besteht immer die Gefahr, dass makroökonomische oder politische Einflüsse zu einem Umschwung bei der Risikobereitschaft somit zu höherem Aufschlag führen. Schaut man sich jedoch die Fundamentalwerte und mittelfristigen Bewertungsgrundlagen an, dann liegen die High Yield-Spreads meiner Ansicht nach derzeit eher beim „Fair Value“.

Daraus ergibt sich das eher unbefriedigende Fazit, dass der High Yield-Markt zwar möglicherweise keine großen Kapitalgewinne generieren wird, die Assetklasse aber nach wir vor attraktiv bleibt. Ich meine allerdings, dass in der derzeitigen Lage bei High Yield-Portfolios wohl ein defensiverer Ansatz angezeigt ist. Das Risiko-Gewinn-Verhältnis zwischen einer aggressiveren und einer weniger aggressiven Ausrichtung hat sich zugunsten des weniger aggressiven Ansatzes verschoben. Im Kern geht es also darum, das „Beta“ zurückzufahren.

Um noch einmal die Pokersprache zu bemühen: Jetzt auf den High Yield-Markt zu setzen ist wie ein Spiel, bei dem man ein Doppelpaar auf der Hand hat. Man könnte gewinnen, wenn man im Spiel bleibt, es ist aber nicht ratsam jetzt „All-In“ zu gehen und alle seine Chips in den Pot zu werfen.

* Merrill Lynch Euro High Yield Index Gesamtrendite vom 31. Dez. 2011 bis 21. Sept. 2012. Aktienmarktrendite von Jahresbeginn bis 21. Sept. 2012. Quelle: Bloomberg, Bank of America Merrill Lynch

** Merrill Lynch Euro High Yield Index, Stand 21. Sept. 2012. Quelle: Bloomberg, Bank of America Merrill Lynch

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James Tomlins

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