Ich erwarte einen „CypRIOT“: Drei schwerwiegende Folgen für die Bankensysteme Europas und Großbritanniens

Zu Beginn dieser Woche bloggte Stefan bereits über die wirklich bahnbrechende Rettungsaktion für Zypern sowie über einige interessante Fragen, die diese Vorgehensweise gleichzeitig aufgeworfen hat. Natürlich hat das Parlament dem Rettungspaket in jener Form, wie sie noch am Wochenende diskutiert worden war, letztlich nicht zugestimmt. Die Gründe dafür? Man hielt die steuerlichen Belastungen für die ärmeren Bürger für zu schmerzhaft, während sie für die vermögenderen Bürger als zu milde erachtet wurden. An dieser Stelle möchte ich auf einen Blog-Beitrag verweisen, den ich bereits vor einigen Jahren verfasst habe, denn die Probleme, die damals diskutiert wurden, stehen nun erneut zur Debatte. Für den Moment möchte ich mich aber darauf beschränken, einige jener Aspekte zu beleuchten, die sich vor allem für das europäische Bankensystem insgesamt daraus ergeben.

Zunächst einmal waren die Kontoinhaber in ganz Europa davon ausgegangen, dass ihre Spareinlagen bis zu einem Betrag von mindestens 100.000 Euro staatlich garantiert sind. Am letzten Wochenende wurde diese Vorstellung aufgrund der Entwicklung in Zypern dann jedoch stark erschüttert. Wir hatten das Gefühl, dass das Parlament den vorgeschlagenen Lösungsansatz vor allem deswegen ablehnt, weil die Garantien für Spareinlagen bestehen bleiben sollen und müssen – zumindest in größerem Umfang als im ursprünglichen Rettungspaket eigentlich angedacht. Denn diese Maßnahmen sahen eigentlich vor, dass Sparguthaben von Bankkunden von unter 100.000 Euro mit 6,75 Prozent besteuert werden, während Kontoinhaber mit einem höheren Guthaben eine Steuer in Höhe von 9,9 Prozent entrichten müssen. Durch die Ablehnung dieses Rettungspakets möchten die Politiker erreichen, dass wohlhabendere Bankkunden (also jene Bürger mit einem Guthaben von über 100.000 Euro) noch stärker an diesen Rettungsmaßnahmen beteiligt werden sollten (und Anleger mit noch höheren Spareinlagen, sagen wir 500.000 Euro, vielleicht sogar noch kräftiger zur Kasse gebeten werden). Damit möchte man die Belastung für Kleinsparer verringern.

Und meiner Einschätzung nach liegt hier auch der zentrale Knackpunkt. Denn falls die steuerliche Belastung nicht noch einmal modifiziert werden sollte, hätte dies meiner Meinung nach beträchtliche Auswirkungen auf die Spareinlagen und Kapitalströme in Spanien, Italien und anderen Peripheriestaaten. Ein Risiko, das die Troika keinesfalls unterschätzen darf. Warum sollte man die Einlagengarantie nicht aufrechterhalten, während man gleichzeitig ansteigende Steuersätze auf Spareinlagen von über 100.000 Euro, 250.000 Euro und 500.000 Euro erhebt?

Zweitens ist die Umwandlung nachrangiger Anleihen in Eigenkapital ein integraler Bestandteil dieses Rettungspakets, ohne den die Troika die notwendigen Finanzhilfen vermutlich nicht bereitstellen wird. Wir sind jedoch bereits seit einer Weile der Meinung, dass vergleichsweise schwache Banken aus relativ schwachen Regionen schon jetzt auf dieses Instrument zurückgreifen müssen, um auch unabhängig vom Staat agieren zu können. Damit ist diese Strategie nun aber zu einer Art offiziellen Vorgehensweise geworden, die auch umgesetzt wird. Deshalb gehe ich davon aus, dass Fälle dieser Art in Zukunft noch häufiger vorkommen werden.

Drittens und letztens wird man eine staatliche Rettung von Bankensystemen in Ländern, die selbst bereits übermäßig hoch verschuldet sind, wohl nicht mehr tolerieren. Es ist an der Zeit, den Endlosschleife zwischen wechselseitiger Staaten- und Bankenrettung zu durchbrechen (darüber hatten wir hier bereits berichtet). Und zu diesem Zweck bedarf es der Abschreibungen bei Anleihen und einer Verteilung der Kostenbelastung. Den bittersten Aspekt dieser geplanten Rettungsmaßnahmen sehen wir (und wahrscheinlich auch viele der protestierenden Zyprioten) darin, dass man bis 2007 davon ausgegangen war, dass Besitzer vorrangiger Bankenanleihen bei einer Bankenpleite die gleichen Ansprüche hätten wie Kontoinhaber. Und nun müssen wir im Jahr 2013 auf recht handfeste Art und Weise wirklich erfahren, dass die zypriotischen Sparer hinter einer ganzen Reihe von Großanlegern und institutionellen Investoren (wie Banken und Versicherern) wahrscheinlich das Nachsehen haben werden?

In dieser Hinsicht ist die Kapitalstruktur also vollkommen auf den Kopf gestellt worden. Schließlich erwirbt niemand unbesicherte vorrangige Bankenanleihen nur deshalb, weil er davon ausgeht, dass für daraus resultierende Verluste zunächst die Kontoinhaber eintreten werden. Vielmehr war man am Markt bisher fest davon überzeugt, dass der Staat die Spareinlagen von Bankkunden im Zweifelsfall zu 100 Prozent garantiert. Das Prinzip der Gleichbehandlung von Kontoinhabern und Anleihenbesitzern hat jedoch zur Folge, dass vorrangige Bankenanleihen zurzeit hoch bewertet sind. Und genau aus diesem Grund müssten Inhaber vorrangiger Bankenanleihen wie die Bankkunden nun eigentlich auch dieselben Verluste tragen. Diesen Aspekt des vorgeschlagenen Rettungspakets halte ich für den schändlichsten.

Deshalb frage ich mich auch, wie um alles in der Welt eine Besteuerung von Spareinlagen überhaupt in dieses Rettungspaket aufgenommen werden konnte. Die Antwort darauf erscheint mir recht simpel: die mögliche Ansteckungsgefahr bzw. deren gewünschte Vermeidung. Wir alle wissen, dass vorrangige Bankenanleihen in Europa und Großbritannien zukünftig im Notfall in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden können (wie es in den USA übrigens bereits der Fall ist), falls eine Bank pleite geht oder in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Anfangs hat man uns noch erzählt, dass dies mit vorrangigen Bankenanleihen aus Europa erst ab 2018 möglich sei, bis dann vor kurzem ins Gespräch kam, diesen Stichtag bereits auf Anfang 2015 vorzuziehen. Diese Vorgehensweise sollte meines Erachtens als bevorzugter Weg betrachtet werden, um das Problem der übermäßigen Verquickung von Staat und Bankensektor in Europa zu lösen, indem man die Emission vorrangiger Bankenanleihen von europäischen Banken weiter fördert, während man gleichzeitig eine noch strengere Gesetzgebung einführt, die dazu führt, dass irgendwann alle Anleihen aus der Eurozone und Großbritannien abgeschrieben werden können.

Unabhängig davon, wie klein Zypern im Vergleich zur übrigen Eurozone auch ist: Wenn die Troika die Besitzer vorrangiger Bankenanleihen dazu gezwungen hätte, bereits vor 2018 (oder war es 2015?) Verluste zu akzeptieren, würden die Zinsdifferenzen vorrangiger Bankenanleihen in ganz Europa massiv unter Druck geraten. Und da es sich dabei um die für Banken momentan attraktivste Finanzierungsmethode handelt, weil es für eine Bank immer noch günstig ist, Anleihen zu emittieren, während Staaten nicht mehr für die Verbindlichkeiten ihrer Banken einstehen wollen (oder es wie im Falle von Zypern nicht können), hat die Troika gegen alle Regeln gehandelt und das Irrsinnige getan.

Meiner Meinung sollten die zypriotischen Parlamentsabgeordneten ein Umdenken im Hinblick auf den Rettungs-Loop von Staat und Bankensektor verlangen sowie eine erträglichere Verteilung der Kosten zwischen kleineren und größeren Anlegern (à la Robin Hood) fordern. Es ist doch kaum vorstellbar, dass die Regierungen Frankreichs, Deutschlands oder irgendeines anderen europäischen Kernstaats Verluste für ihre Kontoinhaber akzeptieren würden, wenn gleichzeitig ein ganzer Haufen internationaler Investoren in vorrangigen Bankenanleihen ungeschoren davonkäme. Unserer Meinung nach sollten die Kontoinhaber (oder zumindest die garantierten Spareinlagen) wesentlich stärker geschützt werden als Großgläubiger – egal, ob es sich um vorrangige oder um nachrangige Papiere handelt. Denn dies wäre der erste Schritt hin zu einer Auflösung der unsäglichen Verquickung von Staat und Bankensektor. Erst im zweiten Schritt (der auch erst dann getan werden sollte, wenn nicht ausreichend vorrangige und nachrangige Anleihen vorhanden sind, um zu verhindern, dass der Staat und damit auch die Steuerzahler insolvente Banken retten müssen) sollte man dann auch die Kontoinhaber an den Verlusten beteiligen, aber ohne die zugesagten Einlagengarantien aufzuheben. Im finalen und radikalsten Schritt (der auch am seltensten vorkommen sollte) müssten dann aber auch diese garantierten Einlagen angetastet werden, um die Kosten der Rettungsmaßnahmen von den Steuerzahlern abzuwenden und die Wahrscheinlichkeit eines staatlichen Zahlungsausfalls nicht noch zu erhöhen.

In ganz Europa blicken Kontoinhaber derzeit bereits aufmerksam nach Zypern. Und meiner Einschätzung nach prüfen viele Sparer schon, wie viel sie bei einer bestimmten Bank oder in einer bestimmten Region angelegt haben. Inhaber nachrangiger Bankenanleihen sind sich der Risiken, dass solche Banken auch in Schwierigkeiten geraten könnten, zwar bewusst, doch Besitzer vorrangiger Anleihen sind es meiner Meinung nach nicht. Diese Investoren müssen sich nun fragen, ob das Rettungspaket für Zypern in Zukunft kopiert werden wird. Und sie müssen sich allmählich auch die Frage stellen, ob sie überhaupt noch bis 2018 Zeit haben, bevor vorrangige Anleihen im Notfall in Eigenkapital umgewandelt werden können, oder ob dies nicht doch bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt möglich sein wird.

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Ben Lord

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