Der große Mythos der britischen Sparpolitik

Zur Rechten sehen Sie den britischen Finanzminister George Osborne, den strengen Verfechter der Sparsamkeit. Zur Linken haben wir den Oppositionsführer Ed Miliband, den Vorkämpfer für die fiskalische Freiheit. Doch anscheinend sind Miliband und Konsorten inzwischen derart eingeschüchtert, weil die Wähler Cameron und Osborne eher zutrauen, die mittlerweile wieder boomende Wirtschaft Großbritanniens auf Kurs zu halten, dass sie die Sparmaßnahmen der Tories einfach stillschweigend hinnehmen. Zwar werfen die Liberal-Demokraten den Konservativen vor, diese Sparpolitik um des reinen Sparens willen zu betreiben, sind aber selbst nach wie vor bestrebt, das Haushaltsdefizit in den nächsten drei bis vier Jahren zu beseitigen. Bleibt also nur noch die Scottish National Party, die die schottische Bevölkerung dazu drängt, für die Unabhängigkeit von Großbritannien zu stimmen, damit Schottland „der Sparpolitik in Westminster entfliehen kann“.

Das Problem bei dieser Sparpolitik besteht jedoch darin, dass man bei all diesem Gerangel von völlig falschen Tatsachen ausgeht. So belegen gestern veröffentlichte Zahlen nämlich, dass in Großbritannien keineswegs gespart wird – zumindest nicht in den letzten Jahren. Das erklärt wohl auch größtenteils, weshalb Großbritannien nach Einschätzung des IWF von den etablierten Volkswirtschaften in diesem Jahr wohl am schnellsten wachsen wird.

In der nachfolgenden Grafik wird der Saldo des britischen Staatshaushaushalts im internationalen Vergleich betrachtet. In den USA kam es zuletzt zu einer sehr umfassenden Haushaltskonsolidierung, die das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2011 bis 2013 stark belastet hat. Dieser Effekt sollte zukünftig aber deutlich nachlassen. Auch aus diesem Grund sind wir für die US-Wirtschaft zuversichtlich. In der Eurozone wiederum wurde eine solche Haushaltskonsolidierung von den Märkten gewissermaßen erzwungen, obwohl der Euroraum insgesamt (ebenso wie die USA) momentan ein Haushaltsdefizit aufweist, das dem der Jahre 2004 und 2005 entspricht. Derweil wird Deutschland – ein Land, das von den Märkten bisher überhaupt nicht unter Druck gesetzt worden ist – in diesem Jahr wohl einen ausgeglichen Haushalt vorlegen können. In Großbritannien war das Wirtschaftswachstum auf Jahresbasis gerechnet bis zum II. Quartal jedoch fast dreimal höher als in Deutschland, aber trotzdem ist das Haushaltsdefizit dieses Landes im historischen Vergleich immer noch riesig.

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Der Hauptgrund für die prekäre haushaltspolitische Lage Großbritanniens ist, dass es den Briten bisher nicht gelungen ist, die Staatsausgaben zu senken. Es liegt aber nicht nur an diesen übertrieben hohen Ausgaben. Auch die Steuereinnahmen sind in den ersten vier Monaten des laufenden Steuerjahres im Vergleich zum Juli 2013 um 1,9 Prozent gesunken. Und dabei handelt es sich nur um die nominalen Zahlen – von dem realen Minus wollen wir gar nicht erst sprechen. Das Office for Budget Responsibility (OBR) wird nähere Informationen dazu vorlegen können, wenn es im Laufe des Tages seine aktuelle Zusammenfassung herausgibt. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass ein Teil der Einnahmen aus dem letzten Jahr im Ansatz vorgezogen wurde, wodurch ein entsprechender Vergleich erschwert wird. Deshalb wird das OBR vermutlich gegen Jahresende einen Anstieg der Einnahmen in Aussicht stellen.

Aus der nachfolgenden Grafik geht hervor, wie die britischen Staatsausgaben von Jahr zu Jahr immer mehr angestiegen sind.

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Darüber hinaus haben die hohen Staatsausgaben in Verbindung mit den niedrigen Steuereinnahmen aber auch zur Folge, dass es bei der Nettoverschuldung der öffentlichen Hand so schnell wohl nicht zu einer Veränderung kommen wird. So war die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors (exkl. finanzieller Interventionen) in dem 4-Monatszeitraum bis Juli sogar höher als 2021/12, 2012/13 und 2013/14. Zwar wird das OBR im Laufe des Tages auch dazu mehr sagen können, es lässt sich jedoch nicht abstreiten, dass die Lage der britischen Staatsfinanzen erschreckend ist.

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Trotz alledem behaupte ich nicht, dass die britische Regierung zwangsläufig eine strengere Fiskalpolitik betreiben sollte. Obwohl die derzeit so lockere Haushaltspolitik auf lange Sicht nicht tragbar ist, hat sie aber auch maßgeblich dazu beigetragen, das Wirtschaftswachstum wieder kräftig anzukurbeln. Außerdem scheint sie auch den Privatsektor dazu ermuntert zu haben, allmählich wieder zu investieren. Darüber hinaus würde man traditionell wohl davon ausgehen, dass Länder mit einer nachhaltig lockeren Fiskalpolitik auch vergleichsweise steile Zinskurven aufweisen. In Großbritannien ist momentan jedoch genau das Gegenteil der Fall, denn die erwarteten Renditen einiger länger laufender Anleihen liegen zurzeit auf Rekordtiefs. Mit anderen Worten: Den Markt scheint das Ganze – zumindest noch – kalt zu lassen. Gleichzeitig kann man der Regierung zugute halten, dass sie auch einige dringend erforderliche Investitionen in die Infrastruktur Großbritanniens getätigt hat, welche die Produktivität letztlich gesteigert haben. Was ich einfach nur anmerken wollte: Die britischen Wähler haben in dieser Debatte meiner Meinung nach einfach wesentlich mehr Ehrlichkeit verdient.

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Mike Riddell

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