Bail-ins: Wie man’s macht, macht man’s verkehrt

Wir haben bereits mehrfach die bisher untrennbare Beziehung zwischen Staaten und Banken thematisiert sowie auch über die Vorteile der Abschreibung von Anleihen zwecks Kapitalschöpfung geschrieben (siehe The New Era for Bank Bonds: Send In The Clowns? und Equitisation of bank capital bonds). 2007 wurde den globalen Märkten plötzlich bewusst, dass der US-amerikanische Subprime-Markt explodierte. Im Jahr 2008 erkannten die Märkte außerdem, dass die Banken weltweit aufgrund der gerne eingesetzten Finanzierungstechniken und der Verbriefung von Wertpapieren, die damals absurderweise als „Risikoverteilung und ‑minimierung“ bezeichnet wurden, enorme Solvenzprobleme hatten, da große Mengen von Anlagepapieren starke Werteinbußen verzeichneten. Dies wiederum führte zu einer Liquiditätskrise, da die Kapitalmärkte Investitionen in Banken mieden und der Interbankenmarkt erstarrte.

Die Krise, in der wir heute stecken, ist noch dieselbe wie vor 5 Jahren. In vielen Ländern musste der Staat einschreiten und das Bankensystem stützen, um einen Schulden-Rollover und die Wiederherstellung des Vertrauens zu ermöglichen. Auf kurze Sicht hatte die Bereitstellung von Liquidität höchste Priorität, was in Form von Emissionen staatlich garantierter Schuldtitel sowie besicherter Direktfinanzierung durch die Zentralbanken in Großbritannien, den USA und jüngst auch in Europa geschah. Im nächsten Schritt mussten die Staaten ihren Banken riesige Mengen von illiquiden Assets abkaufen (USA) oder direkte Kapitalspritzen zwecks Sicherstellung der Solvenz geben (USA und Großbritannien), da man allmählich verstand, dass die Liquiditätskrise durch eine Solvenzkrise ausgelöst worden war.

Unterdessen wurde das Beziehungsgeflecht zwischen Staaten und Banken immer dichter. Auch wenn es so aussieht, als habe sich die große Rezession von einer Bankenkrise in eine Staatskrise gewandelt, ist das nicht der Fall: Die Staaten übernahmen immer mehr Verbindlichkeiten, um ihre Bankensysteme zu schützen und stehen nun selbst im „Rampenlicht“. Es ist immer noch dieselbe Krise, nur der Schwerpunkt hat sich verlagert.

Viele europäische Banken sind nach wie vor deutlich unterkapitalisiert. Daher ist das Bankensystem weiterhin stark darauf angewiesen, dass es von den Zentralbanken mit Liquidität zu erschwinglichen Kosten versorgt wird. Die Staaten wiederum geraten in eine immer tiefere Abhängigkeit von den Banken bzw. von der Solidität der als Sicherheit erhaltenen Assets.

Ist es nun an der Zeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen? Würde ein solcher Befreiungsschlag den Anfang vom Ende der Staatskrise einläuten? Viele europäische Banken befinden sich immer noch quasi auf der „Intensivstation“. Sie ächzen unter enorm hohen Verbindlichkeiten und können deshalb kaum neue Kredite vergeben. Die mehrjährige Vertrauenskrise in Bezug auf die Kreditvergabe an bzw. Investitionen in die Banken würgt die Investitionstätigkeit ab.

Und wie geht es weiter? Meines Erachtens ist momentan nach all den längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (LTRO), den zwischen den Zentralbanken bestehenden Finanzierungslinien, den besicherten Kreditfazilitäten und den Neuemissionen von Covered Bonds reichlich Liquidität vorhanden. Im Kern des Problems geht es vielmehr um die Solvenz und Kapitaladäquanz in Europa, wo die Bankenkrise noch in vollem Gange ist. Sollten die Staaten den heimischen Banken die benötigte Rekapitalisierung im Wege von Verstaatlichungen im großen Stil ermöglichen, würde sich lediglich eine Verschlimmerung der Staatsschuldenkrise ergeben, da das Geld ja irgendwoher beschafft werden müsste. Dieser Ansatz eignet sich also nicht. Er wäre wohl auch aus Sicht des Steuerzahlers kaum wünschenswert.

Die Lösung? Wir brauchen frisches Kapital in großen Mengen – und zwar schnell. Es könnte an der Zeit sein, das Verhältnis zwischen Staaten und Banken radikal anders zu gestalten. Unbesicherte Bankanleihen in den peripheren EU-Staaten, wo die Staaten die Last der hohen Kreditkosten zu tragen haben und von den Kosten der Bereitstellung von Garantien und Geldern an ihre Banken förmlich erdrückt werden, sollten nun teilweise abgeschrieben werden. Sowohl bei nachrangigen Schuldtiteln als auch bei vorrangigen unbesicherten Anleihen käme es zu Ausfällen, in manchen Fällen würden die Papiere auf Null abgeschrieben werden. Dadurch werden enorme Kapitalmengen freigesetzt (was nicht passiert, wenn man nur nachrangige Schuldtitel abschreibt). Die geplagten Staaten bräuchten an den Märkten keine weiteren Kredite aufnehmen und die Schuldenquote im Verhältnis zum BIP würde dadurch nicht weiter ansteigen. Für Anleger und risikoorientierte Sparer, die über ihre Altersvorsorge in Bankanleihen engagiert sind, bedeutet das natürlich schmerzhafte Einbußen. Doch Abschreibungen werden vorgenommen, Kapital wird generiert. Das System wird (endlich!) schnell und in beträchtlichem Umfang entschuldet. Durch die teilweise Entkopplung von Staaten und Banken (die Einlagensicherung bleibt auf jeden Fall bestehen) können die Banken außerdem nicht mehr die Staaten mit ins Verderben ziehen, so jedenfalls die Hoffnung.

Entscheidungsträgern und Politikern müssten die Vorteile dieses ersten Schritts zur Bereinigung des Systems einleuchten (eigentlich gehe ich davon aus, dass sie sich darüber bereits im Klaren sind). Wenn diese Maßnahme nicht funktioniert, bleibt als letzter Ausweg die Verstaatlichung, wobei der Steuerzahler noch ein letztes Mal einspringen muss. Doch die derzeitige schleichende Verstaatlichung, bei der die Steuerzahler die europäischen Banken durch immer neue Notmaßnahmen – finanziert durch deutlich höhere Steuern und eine auf absehbare Zeit geringere Lebensqualität aller Bürger – am Leben erhalten werden, erscheint sehr unbefriedigend, zumal die Risikoträger noch nicht zur Kasse gebeten worden sind. Müssten die Inhaber von Bankanleihen jetzt Ausfälle akzeptieren, sofern sie erforderlich sind? Es gibt Länder, in denen diese drastischen Maßnahmen nicht erforderlich sind. Es gibt auch einzelne Banken, bei denen sie trotz eines negativen Umfelds nicht benötigt werden. Für Risikoträger (Anleger und Sparer) wird dies ein schmerzlicher Prozess sein, aber er könnte dem Bankensystem das zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Geldinstitute erforderliche Kapital verschaffen, was von übergeordneter Bedeutung ist. Die Staaten würden davon profitieren, dass sie nicht mehr für das sogenannte Nondeposit-Bankensystem einstehen müssen. Die Entscheidungsträger müssen also überlegen, ob die Gesellschaft insgesamt mit diesem neuen Ansatz gegenüber der aktuellen Vorgehensweise besser dran wäre. Sie könnten durchaus zu dem Schluss kommen, dass es moralisch nicht vertretbar ist, dass die Steuerzahler derzeit hinter den Inhabern von Bankanleihen rangieren, statt umgekehrt.

Einige von uns wären verdammt, wenn wir einen anderen Kurs einschlagen und diesen Ansatz wählen würden. Alle von uns sind verdammt, wenn wir es nicht tun.

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Ben Lord

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