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25/04/24

Es fühlt sich vielleicht nicht so an, aber 2012 war für Anleger ein ziemlich gutes Jahr. Vor allem Anleiheninvestoren haben 12 sehr ordentliche Monate hinter sich, denn die Rallye an den Staatsanleihenmärkten hat angehalten, und Papiere mit Investmentstatus werden wohl auch weiterhin ebenso Rekorderträge abwerfen wie Hochzinsanleihen. Gleichzeitig werden vermutlich auch die bedeutenden Aktienmärkte das Jahr im Plus abschließen.

Und diese Gewinne haben die globalen Aktien- und Anleihenmärkte trotz eines nach wie vor schwierigen volkswirtschaftlichen Umfelds vorgelegt. Denn wenn wir uns einmal an unseren letzten Jahresausblick erinnern, so sind viele Probleme, um die wir uns bereits damals Sorgen gemacht hatten – wie ein möglicher „Double Dip“, eine steigende Verschuldung in den Industriestaaten oder das Risiko schwerwiegender politischer Fehlentscheidungen weltweit – nicht nur bisher nicht gelöst worden, sondern geben inzwischen oftmals sogar noch mehr Anlass zur Sorge. Doch die Nachrichten sind nicht durchweg schlecht. Deshalb freuen wir uns, dass in einigen Teilen der Welt durchaus auch Fortschritte gemacht werden.

Was also hält das Jahr 2013 für die Finanzmärkte bereit? In seinem aktuellen „Ausblick“ stellt Jim seine volkswirtschaftlichen und marktspezifischen Prognosen für das kommende Jahr vor.

Viel Spaß!

Die Entscheidung der US-Notenbank letzte Woche, ihre Strategie bei der US-Geldmarktpolitik zu verändern und sich nun tatsächlich nicht mehr so stark auf die Einhaltung des Inflationsziels zu konzentrieren, war nur der jüngste Schritt innerhalb eines sich verstärkenden Trends unter den Währungshütern weltweit. In einer Welt, in der die Arbeitslosenquoten deutlich über dem Niveau liegen, das man allgemein als „normal“ bezeichnen würde (in vielen Regionen sogar bei deutlich mehr als 10 Prozent), wird die Notwendigkeit von Wachstum derzeit nämlich als wesentlich dringlicher eingeschätzt als die Angst, das Inflationsziel von 2 Prozent zu übersteigen. So wurde auf der letzten Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank beschlossen, dass auch eine höhere Inflation von 2,5 Prozent toleriert werden könne, falls die Arbeitslosigkeit so hoch (bei über 6,5 Prozent) bleiben sollte. Die entsprechende Pressemeldung der Fed finden Sie hier.

Wir bezeichnen diese Tendenz weg von der Idee, ein Inflationsziel von 2 Prozent einzuhalten, die momentan auch bei Währungshütern weltweit zu beobachten ist, als einen Kurswechsel der Notenbanken. Bereits im März haben wir darüber auf diesem Blog berichtet.  Es lohnt sich, noch einmal einen Blick auf diese Grafik zu werfen.


Die Grafik des IWF zeigt, dass die Währungshüter die Zinsen in der Phase nach der Berufung von Paul Volcker zur US-Notenbank im Jahr 1979 (die orangefarbene Linie) über der Inflation gehalten haben (damit reagierten sie auf den Schaden, den die Inflation in den 1970er Jahren angerichtet hatte). Daraufhin sank die Inflation kontinuierlich – und angesichts der hohen „realen“ Zinsen drehte sich alles um das Thema Inflation (in Form von Inflationszielen,des Inflationsberichts der Bank of England sowie in der Unabhängigkeit der Notenbanken). Für Investoren in Staatsanleihen folgten darauf insgesamt 30 tolle  Jahre, in denen die Renditen im Zuge des Kampfes gegen die Inflation  sanken. Ich habe der IWF-Grafik jedoch noch eine weitere Linie (blau) hinzugefügt, die zeigt, wie sich die Notenbanken seit der Lehman-Pleite und während der Kreditkrise, auf die dann die Staatsschuldenkrise folgte, verhalten haben. Und das ist eine ganz andere Geschichte mit extrem negativen realen Zinsen. Denn in vielen etablierten Volkswirtschaften liegen die nominalen Zinsen momentan fast bei 0 Prozent, während die Inflation gleichzeitig immer noch hartnäckig über 2 Prozent beträgt. Dabei handelt es sich jedoch um eine bewusste Strategie der Notenbanken – die negativen realen Zinsen zielen darauf ab, die Kreditaufnahme und die Investitionstätigkeit attraktiver zu machen sowie das Wachstum (und damit auch die Ausschüttung von Gewinnen an hoch verschuldete Verbraucher) zu fördern. Außerdem sollen Investoren dadurch dazu ermutigt werden, auf der Suche nach Rendite höhere Risiken einzugehen (Investoren in Staatsanleihen kaufen dann Unternehmensanleihen, Anleger in Papieren mit Investmentstatus engagieren sich plötzlich in Hochzinsanleihen usw.).

Eine weitere Folge der negativen realen Zinsen, auf die wir bei anderer Gelegenheit noch einmal detailliert eingehen werden, ist der Rückgang der Schulden bankrotter Staaten. Denn es gibt mehrere Möglichkeiten, die Schuldenlast eines Landes zu verringern: ein kräftiges reales Wachstum (ein Ziel, das auf absehbare Zeit unerreichbar scheint), Sparmaßnahmen (deren Effektivität bisher noch nicht erwiesen ist und die möglicherweise kontraproduktiv sind, obwohl einige an dieser Stelle vielleicht Kanada und Schweden als Erfolgsgeschichten anführen), ein Zahlungsausfall (der für einige Volkswirtschaften der Eurozone, die ihre Währung nicht abwerten können, wohl unumgänglich ist) und eine Inflation. Dieses letzt genannte Instrument ist wahrscheinlich auch das effektivste. Und wie Sie der roten Linie der Grafik entnehmen können, haben die Volkswirtschaften der westlichen Welt bereits nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Schulden mit genau dieser Methode gesenkt.

Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass die Notenbanker und Finanzminister der Welt auf einer Gipfelstation in der Schweiz sitzen, unablässig kuschelige weiße Perserkatzen streicheln und die ganze Zeit verrückt kichern, während sie gleichzeitig eine Super-Inflation planen. Vielmehr handelt es sich damit um eine pragmatische (und möglicherweise auch um die einzig realistische) Reaktion auf eine Welt, in der es keinen fiskalpolitischen Spielraum für Maßnahmen anderer Art mehr gibt. Die jüngste Entscheidung der US-Notenbank, SOWOHL auf  Inflation ALS AUCH die  Arbeitslosigkeit abzuzielen, ist vor diesem Hintergrund ein sehr interessanter Schritt. Als junger Volkswirtschaftsstudent war die Idee, dass man zwischen Inflation einerseits und Arbeitslosigkeit andererseits WÄHLEN könne, undenkbar. An dieser Stelle möchte ich zitieren, was, äh, Wikipedia zu dieser als „Philips-Kurve“ bekannten Idee sagt: „Obwohl auf kurze Sicht durchaus ein stabiles Verhältnis zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation zu beobachten ist, gilt dies jedoch nicht langfristig.“ Die Idee, dass man die beiden    wählen könnte, ist also vielleicht noch  unglaubwürdiger.

Wie auch immer, was bedeutet dieser Schritt der US-Notenbank denn nun? Als ich Ben Bernanke auf der Pressekonferenz letzte Woche beobachtet habe, ist mir aufgefallen, dass man die Verschiebung der Prioritäten der Fed weg von „keine Zinserhöhungen bis 2015“ hin zu Zielvorgaben bezüglich der Arbeitslosigkeit und der Inflation durchaus als eine mögliche VERSCHÄRFUNG der Geldmarktpolitik betrachten sollte. Denn letztlich sind wir mittlerweile doch wieder außerordentlich zuversichtlich, dass der US-Immobilienmarkt 2013 und 2014 für ein Wachstum sorgen wird. Und falls dabei alles gut geht, könnte die US-Notenbank die Zinsen bereits vor 2015 wieder anheben.

Ich behaupte also, dass bei den Notenbanken momentan ein Kurswechsel stattfindet. Allerdings sollte man meiner Meinung nach auch die Belege hierfür einmal kurz auflisten. Hier also die entsprechende Übersicht:

Belege für einen Kurswechsel der Notenbanken

1. Das von den Notenbanken festgelegte Niveau der realen Zinsen: Den besten Beleg liefert augenscheinlich die Grafik selbst. Können die Notenbanker ihre Inflationsziele einhalten? Nicht wirklich – dies zeigt beispielsweise die Bank of England, denn in Großbritannien lag die Inflation der Verbraucherpreise in lediglich sechs Monaten der letzten fünf Jahre nicht über der Zielvorgabe von 2 Prozent. Vielmehr betrug die Teuerungsrate in dieser Phase größtenteils mehr als 3 Prozent (und kletterte einmal sogar auf über 5 Prozent!). Gleichzeitig geht aus aktuellen Zahlen hervor, dass die realen Zinsen in Großbritannien, der Eurozone sowie in den USA mit mindestens 1,75 Prozent im Minus liegen. Derzeit erwägen die Notenbanken der westlichen Industriestaaten sogar, negative  NOMINALE Zinsen festzuschreiben. Von den bedeutenden Volkswirtschaften weist momentan lediglich Japan positive reale Zinsen auf – obwohl sich dies unserer Meinung nach drastisch ändern könnte, wie ich im Folgenden noch erläutern werde.

2. In den USA konzentriert sich die Notenbank nun wieder auf ihr duales Mandat: Nach drei Jahrzehnten, in denen die Fed lediglich die Einhaltung des Inflationsziels im Auge hatte, verfolgen die Währungshüter nun bereits seit etwa einem Jahr ein neues Ziel. Als erster stellte Charles Evans von der Notenbank Chicago das Konzept einer Zielvorgabe für die Arbeitslosenquote vor, dem sich Janet Yellen (die mögliche Nachfolgerin von Bernanke) von der Notenbank San Francisco anschloss, bis dann letzte Woche auch der entsprechende Beschluss gefasst wurde. Bei Ben Bernanke sind die Befürworter dieses Ansatzes offene Türen eingerannt, denn aus seiner Zeit als Wissenschaftler stammt folgende Dissertation…

3. Bernankes 4-prozentiges Inflationsziel für Japan: Die Dissertation „Japanische Geldmarktpolitik: Ein Fall selbstinduzierter Lähmung“ verfasste Bernanke im Jahr 1999 während seiner Zeit in Princeton. Darin argumentiert er, dass die Lösung für eine Volkswirtschaft wie Japan (mit einer geplatzten Immobilienblase, maroden Banken, einem schleppenden Wachstum und einem Deflationsdruck) in einem Inflationsziel zwischen 3 und 4 Prozent bestünde. Warum sollte Bernanke also nicht der Meinung sein, dass es sich dabei – übertragen auf die US-Situation – auch um eine derzeit angemessene Reaktion für die Fed handelt?

4. Die zurückhaltenden Äußerungen von Mervyn King hinsichtlich des Inflationsziels: Da Taten meiner Meinung nach mehr sagen als Worte, sollte der Umstand, dass man die Inflation in Großbritannien in den letzten fünf Jahren kaum beeinflusst hat, für Sie aussagekräftiger sein als jede mündliche Äußerung. Allerdings habe ich den Chef der Bank of England noch nie so zurückhaltend erlebt wie bei seiner Rede zum 20-jährigen Bestehen des Inflationsziels im Oktober: . „Unter bestimmten Umständen kann es gerechtfertigt sein, die Bekämpfung der Inflation vorübergehend zurückzustellen, um im Gegenzug drohende Finanzkrisen abwenden zu können.“

5. Der neue Chef der Bank of England Mark Carney spricht über eine neue Strategie, bei der ein Fokus auf das nominale BIP eine größere Rolle spielt als die reinen Inflationsziele. In einer Rede, die er in dieser Woche vor der CFA Society in Toronto hielt, deutete Carney (der im nächsten Jahr den BoE-Chefposten übernehmen wird) an, dass bei einem Leitzins von fast 0 Prozent („gegen Null tendierend“) eine konkrete Zielvorgabe für das nominale Wachstum effektiver sein könnte als ein Inflationsziel. Dabei verwendete er als erster Notenbanker (?) den Begriff „Kurswechsel“. „Wenn man sich an einer Zielvorgabe für das nominale BIP orientiert, ist auch die Entwicklung in der Vergangenheit ein relevanter Faktor. Deshalb ist die Notenbank sehr daran interessiert, ein in der Vergangenheit möglicherweise versäumtes Wachstum des nominalen BIP ausgleichen.“ Natürlich ist eine Zielvorgabe für das nominale BIP für eine Volkswirtschaft aber auch ein sehr effektiver Weg, ihre Schulden zu verringern.

6. Die Prioritätenverschiebung in Japan, der so genannte „Abe Trade“: An diesem Wochenende liegt Oppositionsführer Shinzo Abe von der LDP in den japanischen Meinungsumfragen zur Wahl zum neuen Premierminister vorn. Noch immer erholt sich Japan von seinem Einbruch vor einigen Jahrzehnten, und deshalb möchte Abe das Wachstum aggressiv fördern. Da Japan trotz eines Inflationsziels der BoJ von 1 Prozent derzeit eine Deflation von 0,4 Prozent verzeichnet, verlangt Abe außerdem von der Notenbank, VIEL mehr zu tun. Dazu zählen auch eine Anhebung des Inflationsziels auf 2 Prozent (oder sogar 3 Prozent) sowie alle weiteren Maßnahmen, die erforderlich sind, um dies zu erreichen (mehr quantitative Lockerungsmaßnahmen, Interventionen an den Devisenmärkten usw.). Dieses programmatische Versprechen könnte im Laufe der Zeit zwar an Verbindlichkeit einbüßen, doch nach meinem jüngsten Treffen mit einem Mitglied der BoJ in Tokio habe ich mittlerweile das Gefühl, dass eine Anhebung des Inflationsziels unvermeidlich ist.

7. Europa: Konkrete Hinweise sind zwar nur schwer zu finden, doch nach den Rücktritten der beiden eher aggressiven deutschen EZB-Mitglieder Axel Weber und Jürgen Stark im Jahr 2011 („Es ist allgemein bekannt, dass ich kein glühender Verfechter dieser Käufe (von Anleihen) bin.“ – Jürgen Stark) steht die EZB einer außergewöhnlichen Ausweitung ihrer Bilanz (LTRO, SMP, OMT) inzwischen wesentlich offener gegenüber. Und auch einer eher „traditionellen“ quantitativen Lockerung zu einem späteren Zeitpunkt?

Angesichts all dieser Belege für eine veränderte Denk- und Handlungsweise der Währungshüter im Hinblick auf die Inflation könnte man doch davon ausgehen, dass die Anleihenmärkte darauf negativ reagieren würden, oder? Denn falls Ben Bernanke eine Teuerungsrate von 4 Prozent in den USA tatsächlich für ein angemessenes Inflationsniveau hält, würde doch niemand mehr der Regierung für die nächsten fünf Jahre zu einem Zinssatz von 0,65 Prozent Geld leihen, oder sehe ich das falsch? Und wenn Mark Carney im nächsten Jahr die Führung der BoE übernimmt, wird dann die Breakeven-Inflation (d.h. die Inflationserwartungen des Marktes) das Inflationsziel von 2 Prozent auch in den nächsten Jahren übertreffen? Derzeit liegen die Renditen 5-jähriger US-Staatsanleihen immer noch deutlich über 1 Prozent (auch dank der QE-Käufe in diesem Sektor, die letzte Woche angekündigt worden sind), während die Breakeven-Inflation in Großbritannien auf Basis der Inflation der Verbraucherpreise unter dem Inflationsziel von 2 Prozent liegt. In beiden Fällen hat es den Anschein, als würden staatliche Interventionen an diesen Märkten (in Form einer finanziellen Repression mittels quantitativer Lockerungsmaßnahmen, Kapitalvorgaben usw.) die Zinsen trotz einer hohen Inflation niedrig halten. Und das ist auch absolut notwendig, denn die Hälfte aller Papiere am US-Staatsanleihenmarkt wird in den nächsten drei Jahren fällig. Falls die Renditen also irgendwann einmal also wieder nach oben tendieren, könnten klamme westliche Staaten ganz schnell vor dem Bankrott stehen.

Vor kurzem ist Anthony von einer Research-Reise nach Singapur zurückgekehrt, wo er mit einer Reihe von Investoren gesprochen hat. Während seines Aufenthalts in diesem asiatischen Stadtstaat hatte er seine „Bond Vigilantes“-Kamera dabei, um uns so teilhaben zu lassen an seinen Erfahrungen über Singapur, dessen Wirtschaft und dessen Anleihenmärkte.
Obwohl Singapur geografisch betrachtet recht klein ist, boomt die Volkswirtschaft dieses Landes wie kaum eine andere weltweit. Angetrieben wird dieser Trend durch ein engmaschiges internationales Handelsnetz. Außerdem beruht der Erfolg des singapurischen Modells auf einer breit aufgestellten Wirtschaft, in der eine Politik der freien Marktwirtschaft neben den geldmarktpolitischen Interventionen der Monetary Authority of Singapore gut bestehen kann.
Angesichts eines nach wie vor intakten Bonitätsratings von AAA befindet sich Singapur selbst in einer exzellenten fiskalischen Lage, die dieses Land in Verbindung mit dem sich rasant entwickelnden Finanzmarkt und dem robusten Bankensystem zu einem der offensten und wettbewerbsfähigsten Märkte weltweit macht. Außerdem fragen wir uns angesichts des weltweit dritthöchsten Pro-Kopf-BIP, ob die südostasiatischen Nachbarn in wirtschaftlicher Hinsicht von diesem asiatischen Stadtstaat nicht vielleicht noch einiges lernen können.

 

Die letzten Monate waren im Hinblick auf die Emission von Unternehmensanleihen wirklich großartig, was auch die nachfolgende Grafik belegt. Diese enorme Flut neuer Transaktionen, bei denen das Angebot der Emittenten auf das Kaufinteresse der Investoren stieß, zeigt, dass sich der Primärmarkt zurzeit in einem historisch gesunden Zustand befindet und über jede Menge Liquidität verfügt. Seit der Kreditklemme wird jedoch ausführlich darüber diskutiert, ob der Markt für Unternehmensanleihen nicht vielleicht doch illiquider geworden ist. Schließlich sind die Händler mittlerweile kaum noch in der Lage, Anleihen zu erwerben. Was stimmt denn nun?


Seit dem Ausbruch der Kreditklemme haben Kapitalvermittler, die Anleiheninvestoren unmittelbar mit Liquidität versorgen, mit beträchtlichen Kapitalproblemen zu kämpfen. Wertpapierverluste, konservativere Managementstrategien sowie die Verknappung und die damit einhergehende Verteuerung von Kapital haben die Bilanzen der Market Maker schrumpfen lassen. Dies verdeutlicht auch die nachfolgende Grafik, in der auf Basis von Daten einer US-amerikanischen Notenbank die Engagements von Primärmarkt-Händlern in Unternehmensanleihen mit Laufzeiten von mehr als einem Jahr dargestellt werden.


Einigen Marktbeobachtern zufolge deutet die obige Grafik darauf hin, dass der Spielraum der Händler, Risiken einzugehen, um rund 80 Prozent zurückgegangen ist. Da somit also der Kapital-Pool, aus dem in der Vergangenheit in großem Stil Wertpapiere erworben worden sind, weggebrochen ist, muss eigentlich auch die Liquidität am Markt für Unternehmensanleihen entsprechend deutlich gesunken sein. Unserer Meinung nach wird die aktuelle Entwicklung damit allerdings extrem vereinfacht interpretiert. Die nachfolgende Grafik bezieht sich auf eine wesentlich relevantere Kennzahl als die Händlerbestände – nämlich die konkreten historischen Handelsvolumina am Sekundärmarkt für Unternehmensanleihen. Diese Daten sind für die tatsächliche Lage wesentlich aussagekräftiger als die hypothetische Liquidität. Daraus geht nämlich hervor, dass die Umschichtungshäufigkeit nicht um jene oben erwähnten 80 Prozent zurückgegangen ist wie die Bestände der Händler. Vielmehr sind die aktuellen Handelsvolumina sogar genauso hoch wie sie es im Jahr 2007 waren. Außerdem möchten wir darauf hinweisen, dass der Anteil, den Investmentbanken an diesen Handelsvolumina repräsentieren, wohl ebenso gesunken ist wie die anteiligen Aktivitäten der entsprechenden Schattenbanken. Daraus ergibt sich, dass die Zahl der Transaktionen zwischen wirklichen Endanlegern sowohl in realen Zahlen als auch gemessen in Prozent der Umschichtungsaktivitäten insgesamt wahrscheinlich eher stark zugelegt hat.


Im Jahr 2007 war die Liquidität an den Märkten außerordentlich hoch. Dominiert wurden die Märkte seinerzeit allerdings von kurzfristig ausgerichteten Akteuren, die aufsichtsrechtlich bedingt günstiges Kapital eingesetzt haben, um enorme Kreditrisiken einzugehen. Dies geschah entweder auf eigene Rechnung direkt bei den Investmentbanken selbst oder aber in Form von Depotpositionen in CDOs und CLOs. Mittlerweile sind diese Aktivitäten jedoch zum Erliegen gekommen, was in Verbindung mit einem strengeren Kapitalumfeld natürlich dazu geführt hat, dass die Bestände dieser Marktteilnehmer deutlich geschrumpft sind. Ihre Aktivitäten als Market Maker sowie am Markt für Unternehmensanleihen sind für diese Kapitalvermittler jedoch nach wie vor eine bedeutende Einnahmequelle. Gleichzeitig ist das Handelsvolumen am Sekundärmarkt zuletzt wieder auf sein Niveau von 2007 angestiegen, obwohl inzwischen weniger Kapital investiert wird. Demnach sind diese Märkte mittlerweile also effizienter geworden, während die Umschichtungshäufigkeit pro Bestandseinheit gleichzeitig nach oben geschossen ist. Dies illustriert auch die nachfolgende Grafik. Die Finanzkrise hat also dazu geführt, dass sich das Interesse am sowie die Gelegenheiten zum Kauf von Risikopapieren sowohl seitens der Banken als auch bei den Investoren verändert haben.


Darüber hinaus hat die Finanzkrise auch bei der Funktionsweise der Kapitalmärkte selbst einen grundlegenden Wandel ausgelöst.  Denn mittlerweile verändert sich das im Jahr 2007 noch weit verbreitete so genannte „Kapital-Recycling“ (das jenes Risikoungleichgewicht innerhalb des Bankensystems hervorgerufen hat, das letztlich der Auslöser der Kreditklemme war und bei dem langfristige Kredite mit kurzfristigen Depositeneinlagen finanziert werden) und entwickelt sich zusehends in Richtung einer neuen und hoffentlich solideren Form der Finanzierung am Markt für Unternehmensanleihen. Gleichzeitig hat die Kreditvergabe seitens der Banken nachgelassen, so dass die Kapitalmärkte – allen voran der wachsende Anleihenmarkt – nun bestrebt sind, diese Lücke zu füllen. Da Bankenkredite inzwischen aber zunehmend durch permanente Anleihenfinanzierungen ersetzt werden, lässt das Laufzeitenungleichgewicht innerhalb des Bankensystems ebenso nach wie das Kreditrisiko. Stattdessen werden das Laufzeiten- und das Kreditrisiko nun von den Anleiheninvestoren übernommen, die dafür auch entsprechend entschädigt werden. Darüber hinaus müssen die Anleiheninvestoren allerdings auch festlegen, welche Liquiditätsprämie neben dem Laufzeiten- und Kreditrisiko, das sie mit ihrem Engagement in Unternehmensanleihen eingehen, erforderlich ist.

Diese Prämie variiert im Verlauf eines Zyklus ebenso wie die übrigen Ertragsfaktoren – d.h. das Kreditumfeld und die Zinsen. Bei einem schwachen Anleihenmarkt und einer dünnen Liquiditätslage (wie etwa im Herbst 2009) steigt diese Prämie an, während sie bei vielversprechenden Kreditaussichten sowie einer hohen Liquidität (wie im Frühjahr 2007) sinkt. Diesen Umstands sollten sich Anleger aber stets bewusst sein, wenn sie in diese Anlageklasse investieren. Aus diesem Grund sollte ein Investor in Unternehmensanleihen auch herausfinden, in welchem Stadium des Liquiditätszyklus wir uns gerade befinden. Dabei sollte er sich ferner vor Augen halten, dass die „perfekte Liquidität“ und die enorm hohen Händlerbestände die Schwächephase dieser Anlageklasse im Jahr 2007 mit ausgelöst haben. Gleichzeitig bot die Illiquidität im Winter 2008 eine günstige Kaufgelegenheit sowie die Chance, von einer gestiegenen Liquiditätsprämie zu profitieren. Die letzten fünf Jahre haben gezeigt, dass eine perfekte Liquidität für einen Anleger in Unternehmensanleihen ein eindeutigerer Vorbote für gefährliche Zeiten sein kann als etwa eine illiquide Phase.

Ist der Markt für Unternehmensanleihen aktuell nun also extrem liquide, oder aber befindet sich die Liquidität momentan auf einem Allzeittief? Nun, offensichtlich liegen die täglichen Handelsvolumina an den Primärmärkten zurzeit auf Rekordniveau. Gleichzeitig ist die Liquidität am Sekundärmarkt zwar nicht in demselben Maße angestiegen wie die Größe dieses Börsenplatzes, sie ist aber auch nicht so niedrig wie eine simple Analyse der Händlerbestände vermuten lassen würde. Darüber hinaus lässt sich jedoch kaum bestimmen, wie hoch die durchschnittliche Liquidität auf Tagesbasis sein sollte, da  sich der Markt unter den zuletzt dramatischen konjunkturellen Bedingungen enorm verändert hat. Insgesamt deutet die Liquidität aller Transaktionen sowohl am Primär- als auch am Sekundärmarkt allerdings darauf hin, dass wir es derzeit mit einem interessanten, wachsenden Marktsegment zu tun haben, zumal der Bereich Unternehmensanleihen den Banken zunehmend den Rang als bevorzugte Finanzierungsquelle abläuft.

Monat: Dezember 2012

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