Sollten die Regierungen in der Eurozone ihre Goldreserven zur Reduzierung der Kreditkosten einsetzen?

Vergangene Woche hatten wir Marcus Grubb vom World Gold Council bei uns zu Gast. Er hat die Idee vorgetragen, dass Eurozonen-Länder mit einer hohen Schuldenlast und untragbar hohen Anleiherenditen den Wert ihrer ansonsten ertragslosen Goldreserven anzapfen sollten, indem sie diese als Sicherheit einsetzen. Somit wären sie in der Lage, wenigstens einen Teil ihres Finanzierungsbedarfs zu günstigen Konditionen abzudecken. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass Deutschland (einer der EU-Mitgliedsstaaten mit den niedrigsten Renditen natürlich, aber hier interessehalber mit aufgeführt), Italien, Frankreich und (in deutlich geringerem Maße) Spanien über erhebliche Goldreserven verfügen, die zur Besicherung europäischer Anleiheemissionen eingesetzt werden könnten.


Bei einer Darstellung der Goldbestände im Vergleich zu den ausstehenden Staatsanleihen wird deutlich, dass Deutschland einen Gegenwert von 12 % seiner Staatsanleihen an Goldreserven hat (dazu die Anmerkung, dass 674 Tonnen seines bei der Banque de France und der New York Fed verwahrten Goldes nach einer öffentlichen Kampagne wieder zurück nach Frankfurt geholt werden, wie vielfach in den Medien berichtet wurde). Im Falle von Spanien liegt dieser Wert jedoch unter 2 % und für Frankreich und Italien bei etwa 6-7 %.


Es ist wohl unstrittig, dass die Begebung einer durch Goldreserven besicherten Anleihe zu niedrigeren Kreditkosten führen würde. Das gilt jedoch NUR für den besagten Anleihenanteil. Bereits bestehende Staatsanleihen, sowie auch alle zukünftigen unbesicherten Anleihen, würden dadurch gewissermaßen zu nachrangigen Papieren. Da die bestehenden Anleihen im Endeffekt durch die Vermögenswerte und das Steueraufkommen des jeweiligen Staates besichert sind, hätte das „Abzweigen“ der Goldreserven eine Verschlechterung der Bonität der ausstehenden Anleihen zur Folge. Dadurch dürfte die Rendite nach oben gehen. Dies ist vergleichbar mit der Situation einer Bank, die vorrangige Anleihen ihrer Anleger zu nachrangigen Papieren macht, indem sie ihre besten Hypothekenwerte an ein Programm für gedeckte Schuldverschreibungen verpfändet: Die gedeckten Schuldverschreibungen haben zwar ein AAA-Rating, die bestehenden vorrangigen und nachrangigen Anleihen werden aber in der Struktur nach unten verschoben. Deshalb könnte eine Verpfändung von Goldreserven als Sicherheit bei einigen Ländern der Eurozone sogar zu einer Herabstufung durch die Ratingagenturen führen. Italien wird aktuell mit BBB bewertet und könnte auf Ramschstatus abrutschen, wenn es zu viele seiner Vermögenswerte im Rahmen eines anderen Anleiheprogramms verpfändet. Es gibt also durchaus eine unbeabsichtigte Nebenwirkung. Ungeachtet dessen könnte eine Kombination aus deutlich niedrigeren Renditen für durch Gold besicherte Anleihen (die eventuell mit AAA-Rating gehandelt werden) und höheren Renditen für bestehende Anleihen zu insgesamt geringeren Finanzierungskosten führen.

Wie groß wäre wohl der Spielraum für die Emission dieser durch Gold besicherten Schuldtitel? Um als echte AAA-Sicherheit zu gelten, müsste der Wert des Goldes bei Fälligkeit der Anleihe den Rückzahlungsbetrag abdecken, einschließlich einer gewissen Übersicherung zum Auffangen von Kursschwankungen. Aus der nachfolgenden Grafik wird jedoch ersichtlich, dass sich der Goldpreis in den vergangenen zehn Jahren etwa zwischen 400 USD und 1.800 USD pro Unze bewegt hat. Nähme man dies als mögliche Spanne (wobei man vielleicht eine noch größere Bandbreite wählen sollte), könnte man mit den Goldreserven, die Stand heute 342 Milliarden Euro wert sind, lediglich 76 Milliarden Euro an Goldanleihen besichern. Es stellt sich da die Frage, ob das Volumen wirklich signifikant ist. Bei einem niedrigeren Vertrauenslimit im Hinblick auf die Schwankungsbreite des Goldpreises könnte man mehr Anleihen begeben, jedoch mit höheren Renditen.


Welche weiteren Einwände könnte es gegen das Konzept geben? Sieht es eventuell nach einer Verzweifelungstat aus? Unkonventionelle Finanzierungsmethoden implizieren, dass nicht alles zum Besten gestellt ist (genau aus diesem Grund hat die Emissionsabteilung für Schuldtitel der Bank of England – bevor diese Aufgabe an die britische Schuldenverwaltung (DMO) überging – unter der Leitung von Paul Tucker große Schritte zur Modernisierung des Markts für Gilts durch die Abschaffung von Gilts mit eingebetteten Optionen und Besonderheiten sowie die Einführung eines transparenten Auktionskalenders unternommen). Es wäre deshalb schon sinnvoll, wenn ein erstklassig bewerteter Emittent wie Deutschland zur Schaffung eines Präzedenzfalls zuerst eine durch Gold besicherte Anleihe begeben würde, bevor dies Länder tun, die tatsächlich auf diese Art der Geldbeschaffung angewiesen sind. Dazu kommt, dass die 10-jährigen Renditen für Italien seit Mario Draghis „koste es, was es wolle“ Rede von 6 % auf 4,5 % zurückgegangen sind und für Spanien von 7 % auf 5,5 %. Die „Open Mouth Policy (OMT)“ ohne weitere Handlungen hat damit für die Kreditkosten dieser Länder weitaus mehr getan als jede praktische Maßnahme. Drittens ist ein Anspruch auf Gold nicht dasselbe wie Gold zu besitzen. Wer in eine solche Anleihe investiert, wünscht sich vermutlich eine Verwahrung des Goldes, das das Instrument besichert, außerhalb des betreffenden Landes (vielleicht sogar auch außerhalb der Eurozone), zum Beispiel im Tresorraum einer Depotbank in der Schweiz. Und weshalb sollte ein Land es zu einem Zahlungsausfall kommen lassen und dann prompt Wagenladungen voller Gold an Investoren auf der ganzen Welt schicken? So schnell käme das wohl nicht vor. Zuletzt lässt unsere These des Paradigmenwechsels in der Zentralbankpolitik vermuten, dass die Behörden ihre Fähigkeit, Buchgeld als Konjunkturmaßnahme und zum Schuldenabbau (!) einzusetzen, auch nutzen wollen bzw. werden. Ein Schritt in Richtung Gold, auch vor dem historischen Hintergrund der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, scheint eher einem entgegengesetzten Kurs zu entsprechen.

Fazit: Ich glaube nicht, dass die Länder der Eurozone genug dieses Edelmetalls besitzen, um in Bezug auf ihre Finanzierungskosten etwas bewirken zu können. Warum sollte man außerdem etwas tun, was nach Verzweifelung aussieht, die bestehenden Anleiheinvestoren stark verunsichert sowie – wenn es schlecht läuft – u. U. die Gesamtfinanzierungskosten erhöht?

Übrigens sind durch Gold besicherte Anleihen nichts Neues, auch wenn sie seit einigen Jahrzehnten aus der Mode gekommen sind. In Tom Wolfes „Fegefeuer der Eitelkeiten“ aus dem Jahr 1987 versucht Sherman McCoy französische, an Gold gekoppelte „Giscard-Anleihen“ im Wert von 600 Millionen USD zu kaufen. Auch in dem Roman „Liar’s Poker“ von Michael Lewis wird dies thematisiert. Die Franzosen haben 1973 an Gold gekoppelte „Rente-Giscard“-Anleihen im Wert von vier Milliarden französischen Francs begeben, rückzahlbar im Jahr 1988 entweder zum Ausgabekurs oder zu 95,39 Gramm Gold je 1000 Francs, sollte die Kopplung zwischen dem Franc und Gold während der Laufzeit der Anleihe gelöst werden, was auch der Fall war. Unglücklich für die französische Regierung war die Tatsache, dass der Goldpreis in dieser Zeit (der hohen Inflation) von etwa 100 USD je Unze bis Ende der 80er Jahre auf über 400 USD je Unze anstieg. Somit erhöhten sich die Verbindlichkeiten der Franzosen um 53 Milliarden Francs. Dies entsprach 1 % des Bruttoinlandsprodukts bzw. 5 % der Staatsausgaben. Dieser damalige Zeitungsbericht lässt darauf schließen, dass die Kosten für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Frankreich bei 100 GBP lagen. Bei einer physikalischen Begleichung der Schulden mit dem Edelmetall wäre die weltweite Goldproduktion von sechs Monaten erforderlich gewesen. Einige Schwellenländer haben in der Vergangenheit ihre Goldreserven auch als Sicherheit für Kredite eingesetzt – Südafrika etwa beteiligte sich in den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts an Geschäften mit Gold-Swaps. Das Konzept könnte also eines Tages durchaus wieder aktuell werden.

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Jim Leaviss

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