Beim Blick auf die Konjunktur weint das irische Auge

Kurz nach dem St. Patrick’s Day ist dies unserer Meinung nach der perfekte Zeitpunkt für ein konjunkturelles Update zu Irland.

Im November 2010 war Irland pleite. Das Versprechen Dublins, für Bankenkredite geradezustehen, führte letztlich dazu, dass die Staatsschulden massiv angestiegen ist, bis die Regierung irgendwann nicht mehr zahlungsfähig war – vor allem, nachdem die Renditen 8-jähriger Staatsanleihen auf über 7 Prozent nach oben geklettert waren (zu einem späteren Zeitpunkt gingen sie sogar auf mehr als 15 Prozent nach oben). In seiner Verzweiflung wandte sich Irland hilfesuchend an die Europäische Kommission, die Europäische Union und den Internationalen Währungsfonds (die so genannten „Troika“).

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Nach langwierigen Verhandlungen erhielt Irland von der Troika schließlich ein internationales Rettungspaket in Höge von 67,5 Mrd. Euro, nachdem die Renditen irischer Staatsanleihen zuvor auf neue Rekordhochs angestiegen waren. Im Gegenzug erklärte sich die irische Regierung damit einverstanden, den Bankensektor des Landes zu verkleinern und zu restrukturieren, damit dieser keinen überproportional großen Anteil an der Gesamtwirtschaft mehr repräsentiert. Darüber hinaus stimmte die Regierung zu, über vier Jahre einschneidende fiskalische und strukturelle Reformen einschließlich Sparmaßnahmen in Höhe von 15 Mrd. Euro umzusetzen. Zu diesem Zweck sollten die Staatsausgaben um 10 Mrd. Euro gekürzt und die Steuern um 5 Mrd. Euro erhöht werden. Dieses auf drei Jahre angelegte Hilfsprogramm wird Ende 2013 auslaufen.

Man hatte gehofft, dass Irland nach der Umsetzung dieser Reformen in der Lage sein würde, wieder an die internationalen Kapitalmärkte zurückzukehren, und dass die Anleger der irischen Regierung dann auch wieder Geld leihen würden. Und genau dies geschah dann in der Folge auch. So emittierte Irland zuletzt im Januar Anleihen im Wert von 2,5 Mrd. Euro mit einer Laufzeit bis 2017 und einer Rendite von 3,32 Prozent. Nun hofft man, im Jahr 2013 eine 10-jährige Anleihe (die möglicherweise als Benchmark dienen könnte) sowie vielleicht sogar ein inflationsgebundenes Papier begeben zu können.

Irland kann die Milliarden Euro, die es von der Troika erhalten hat, nicht zur Ankurbelung seiner Wirtschaft verwenden. Vielmehr wird das Geld, das man Irland geliehen hat, von der Troika an Dublin überwiesen, in das irische Bankensystem gepumpt und von dort an die Besitzer irischer Bankenanleihen weitergeleitet. Die einfachen Leute sehen keinen Cent davon. Dabei hatte man doch gehofft, dass das Rettungspaket auch den irischen Steuerzahlern zugute kommen und sie vor noch härteren Einsparungen bewahren würde.

Doch wie hat sich die Realwirtschaft vor diesem Hintergrund entwickelt?

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Wie zu erwarten war, deuten alle Anzeichen momentan bestenfalls auf eine lediglich mäßige Erholungstendenz der Konjunktur hin. Im Jahreszeitraum bis September 2012 ist Irland trotz einer hohen Arbeitslosigkeit und fiskalischer Sparmaßnahmen aber um 0,8 Prozent gewachsen. Betrachtet man die Beiträge der einzelnen Branchen zum BIP, so stellt man in den Sektoren Groß- und Einzelhandel, Transportwesen, Software und Kommunikation einen gewissen Aufwärtstrend fest. In etwa 25 Prozent der Wirtschaftsbereiche hofft die irische Regierung, dass ein Anstieg der Nachfrage nach irischen Gütern (vor allem in den Segmenten Pharma und Informationstechnologie) das Wachstum mittelfristig stützen wird. Dabei wäre ein insbesondere gegenüber dem US-Dollar schwächerer Euro zwar von Vorteil (weil die USA für Irland ein wichtiger Absatzmarkt sind, an den rund 24 Prozent der irischen Exporte gehen), momentan ist die europäische Währung aber noch nicht schwach genug.

Da viele wichtige Industriezweige in Irland wie etwa der Pharmasektor aber äußerst kapitalintensiv sind, werden in diesen Branchen tendenziell nur wenige Mitarbeiter beschäftigt. Darüber hinaus befindet sich das Kapital in diesen Segmenten größtenteils in der Hand ausländischer Investoren, so dass die Gewinne der entsprechenden Firmen Irland verlassen. Deshalb ist das Bruttosozialprodukt, bei dem Einnahmen von Ausländern nicht berücksichtigt werden, ein wesentlich aussagekräftigeres Barometer für die wirtschaftliche Entwicklung Irlands. Und auf Basis dieser Kennzahl läuft es in Irland nicht allzu gut, denn die Wirtschaftsleistung liegt nach wie vor deutlich unter dem Vorkrisen-Trend.

Die obige Grafik illustriert anschaulich den Boom im Immobilien- und Bausektor, welcher der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 vorausging. Im März 2007 erreichten die Aktivitäten am Immobilienmarkt sowie im Baugewerbe dann ihren Höhepunkt und sind seitdem in realen Zahlen um 65 Prozent gesunken. Obwohl diese Branchen im höchsten Fall etwa 7,5 Prozent der irischen Wirtschaft repräsentierten, zeigen dieser Boom sowie das anschließende Platzen der Blase aber den starken Multiplikator-Effekt, den der Immobilienmarkt auf eine Konjunktur ausüben kann (einen Aspekt, den wir hier bereits ausführlich erläutert hatten).

Betrachten wir nun die Lage am Arbeitsmarkt, an dem der Abwärtstrend im letzten Jahr gestoppt werden konnte. Die Arbeitslosigkeit beträgt derzeit 14,2 Prozent, nachdem sie einen Höchststand von 15,0 Prozent erreicht hatte. Viele Beobachter werten diese Verbesserung am Arbeitsmarkt als ein Anzeichen für eine Erholung der irischen Wirtschaft. Wir sind da allerdings nicht so sicher.

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Auf Basis einer konstanten Erwerbsquote mit Stand September 2008 beträgt die Arbeitslosigkeit mittlerweile nämlich fast 19,5 Prozent und ist damit ganze 5,3 Prozent höher als die aktuelle Arbeitslosenquote von 14,2 Prozent vermuten lässt. Dies entspricht etwa 140.000 Menschen. Aber wo sind die hin?

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Die Nettomigrationszahlen deuten darauf hin, dass zwischen 2009 und 2012 insgesamt 87.000 Menschen, die meist zwischen 15 und 44 Jahre alt waren, Irland verlassen haben. Mit dieser Nettoabwanderung, einer rückläufigen Erwerbsquote sowie einer zunehmendem Zahl entmutigter Arbeitnehmer lässt sich der Rückgang der irischen Arbeitslosenquote durchaus erklären. Der Arbeitsmarkt erholt sich also gar nicht. Vielmehr ist die Zahl der Beschäftigten in Irland von ihrem Höchststand von 2,16 Millionen aus dem III. Quartal 2007 bis Ende 2012 auf 1,85 Millionen gesunken.

Man hat bereits viel über die interne Abwertung, die zurzeit in Irland stattfindet, gehört. Diese Entwicklung betrachtet man als Anzeichen dafür, dass Irland innerhalb der Weltwirtschaft wieder wettbewerbsfähiger wird. Zugegeben, die Lohn-Stück-Kosten sind von ihrem Zenit aus dem IV. Quartal 2008 bis zum III. Quartal 2012 um 16 Prozent zurückgegangen. Dies kaschiert jedoch den jüngsten Trend eher. Denn zwischen dem I. Quartal 2010 und dem III. Quartal 2012 sind die Lohn-Stück-Kosten um lediglich 3,4 Prozent gesunken, während sie zwischen dem I. Quartal 2011 und dem III. Quartal 2012 sogar seitwärts tendiert sind. Der Umstand, dass die Lohn-Stück-Kosten in den letzten Jahren nur sehr schleppend zurückgegangen sind, spricht dafür, dass es wohl noch mindestens ein Jahrzehnt dauern wird, bis Irland wieder konkurrenzfähig ist. Dabei gilt Irland innerhalb der Eurozone als ein Land mit einem vergleichsweise flexiblen Arbeitsmarkt. Welche Hoffnung gibt es dann aber überhaupt noch für Italien, Griechenland, Spanien oder Portugal mit ihren relativ unflexiblen Arbeitsmärkten?

Wir machen uns um die irische Wirtschaft wirklich große Sorgen. Benötigt werden Ankurbelungsmaßnahmen, keine Einsparungen. Denn ohne ein Konjunkturpaket wird das Wirtschaftswachstum in Irland (entgegen der Prognosen des IWF – siehe auch hier) auf absehbare Zeit unter dem langfristigen Durchschnitt bleiben. Beginnen könnte man beispielsweise damit, dass man einen Teil des Erlöses, der aus der Aufnahme von Krediten zu extrem niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten resultiert, für die Ankurbelung der Wirtschaft einsetzt. Das 2,25 Mrd. Euro schwere Konjunkturprogramm aus dem letzten Juli war zwar ein guter Anfang, doch es braucht noch viel, viel mehr davon. Wie wäre es beispielsweise, à la Bernanke in großem Stil Geld in die Wirtschaft zu pumpen? Oder wenn man jedem der schätzungsweise 4,5 Millionen Einwohner Irland einfach 200 Euro in die Hand drücken würde? Das würde lediglich 900 Mio. Euro kosten. Oder man senkt die Einkommenssteuer, fördert Investitionen und die Vergabe von Krediten. Baut die Infrastruktur aus. Schafft Arbeitsplätze. Nimmt die Sparmaßnahmen zurück.

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Oder wie wäre es, wenn man das aufgenommene Geld für einen Schuldenerlass verwenden würde, um so die Hauseigentümer zu entlasten. Man könnte beispielsweise einen Weg finden, damit Immobilienbesitzer von den derzeit niedrigen Zinsen profitieren und ihre Kredite trotz der Hypothekenbelastung ihrer Häuser refinanzieren können, indem man eine groß angelegte Refinanzierungsaktion initiiert.

Ich weiß, ich weiß. Was ist mit dem Vertrauensverlust in die Kreditwürdigkeit Irlands? Was ist mit dem kräftigen Anstieg der Staatsanleihenrenditen? Nun, hoffentlich würden die Ankurbelungsmaßnahmen wirken. Und abgesehen davon hat EZB-Präsident Mario Draghi doch versprochen, „alles Notwendige“ zu tun. Und wir glaubten ihm, als er sagte: „Und glauben Sie mir, es wird ausreichen“.

Doch falls sich Irland auch weiterhin Sparmaßnahmen auf die Fahne schreibt, wird das irische Auge bei einem Blick auf die Wirtschaft des Landes zumindest im nächsten Jahrzehnt wohl kaum wieder lachen.

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Anthony Doyle

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