Momentan wird viel über die Zukunft der chinesischen Wirtschaft diskutiert. Auf der einen Seite stehen dabei die Pessimisten, die das unvermeidliche Platzen der schuldengetriebenen Immobilienblase anführen. Auf der anderen Seite diejenigen, die diese Besorgnisse für übertrieben halten und darauf hinweisen, dass China trotz einer schwächelnden Konjunktur immer noch die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, und dass deren Wachstumsraten mit Abstand beeindruckender sind als alles, was derzeit in den Industriestaaten zu verzeichnen ist.
Von Zeit zu Zeit statten wir China einen Besuch ab, um uns selbst einen Eindruck zu verschaffen, was die Zukunft bereithalten könnte. Denn da China für die Weltwirtschaft eine so entscheidende Rolle spielt, ist es unerlässlich, dass Anleiheninvestoren die Fundamentaldaten, durch welche die chinesische Wirtschaft bestimmt wird, auch bis zu einem gewissen Grad verstehen.
Unser letztes Video zu China illustrierte die Unterschiede zwischen dem Bankensystem der USA und dem chinesischen Bankensektor. Außerdem wurde darin deutlich, was die politischen Entscheidungsträger der westlichen Welt von den chinesischen Behörden lernen könnten. Vor kurzem haben Matthew Russell (Fondsmanager bei M&G) und ich erneut eine Research-Reise nach Peking unternommen, um dort mehr über den aktuellen Zustand der chinesischen Wirtschaft zu erfahren. Dabei wollten wir insbesondere ein besseres Verständniss für zwei Segmente entwickeln, die häufig als potenzielle Krisenherde angesehen werden: den chinesischen Immobilienmarkt und den Schattenbanken-Sektor des Landes. Wir haben ein Video gedreht, in dem wir einige unserer Gedanken zu diesen und anderen Themen darlegen.
Bitte beachten Sie, dass das folgende Video in englischer Sprache aufgenommen wurde.
Schwellenländer-Unternehmensanleihen sind ein Segment des Anleihenmarktes, das momentan sehr schnell wächst. So hat sich das Volumen des Marktes für in Hartwährungen (also in US-Dollar, Euro, britischen Pfund und schweizerischen Franken) denominierte Schwellenländeranleihen seit 2010 verdoppelt und liegt mittlerweile bei über 1,3 Bio. US-Dollar. Damit ist dieser Markt genauso groß wie der US-Markt für Hochzinsanleihen. Einschließlich auf lokale Währungen lautender Anleihen dürfte sich der Wert des Marktsegments Schwellenländer-Unternehmensanleihen nach Schätzungen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich per Ende 2013 auf fast 4 Bio. US-Dollar belaufen haben.
Die nachfolgende Grafik zeigt die jüngste Entwicklung der Zinsdifferenzen von in Hartwährungen denominierten Schwellenländer- und US-Unternehmensanleihen. Obwohl die Spread-Prämie von Schwellenländerpapieren im Vergleich zu deren US-Pendants inzwischen einen etwas teureren Eindruck macht als noch im vergangenen März oder April, ist sie nach wie vor attraktiv. Schließlich liegt das durchschnittliche Aufgeld für Papiere mit Investmentstatus seit Dezember bei lediglich +100 BP, während es bei Hochzins-Unternehmensanleihen im Durchschnitt rund +215 BP beträgt.
Zweifellos gehen die höheren Zinsdifferenzen an den Schwellenländermärkten mit im Vergleich zu den etablierten Märkten höheren Risiken einher. Aus der nachfolgenden Grafik geht jedoch hervor, dass die Kreditkennzahlen von Schwellenländer-Unternehmensanleihen tendenziell besser sind als die von US-Papieren aus vergleichbaren Bonitätssegmenten. Parallel dazu bieten Schwellenländerpapiere wesentlich höhere Spreads als Anleihen aus den Industriestaaten. Der Grund dafür sind die zusätzlichen Risiken, mit denen Schwellenländer-Unternehmensanleihen gegenüber Papieren aus den Industrienationen behaftet sind. Beispiele dafür sind beispielsweise das politische oder das länderspezifische Risiko.
Ein Researchprozess nach dem Bottom Up-Prinzip ist für die Einzeltitelselektion an den Schwellenländermärkten von größter Bedeutung. Gleichzeitig sollten Anleger nicht nur die jeweiligen Finanzberichte, sondern auch das Branchenrisiko, die Corporate Governance, die Offenlegung von finanziellen Kennzahlen, das Bedingungswerk sowie die Erwartungen hinsichtlich der Erholungswerte berücksichtigen. Ein Top Down-Ansatz ist allerdings ebenfalls ganz entscheidend, weil Risiken wie das Währungsrisiko, das Inflationsrisiko sowie das politische Risiko ebenfalls beträchtliche Auswirkungen auf die Fundamentaldaten einer Unternehmensanleihe haben können. Alle diese Risiken – seien sie nun unternehmensspezifischer Natur oder aber auf das jeweilige Land bezogen – spiegeln sich in den Bonitätsratings theoretisch bereits wider. Aus diesem Grund schreiben die Ratingagenturen Emittenten von Schwellenländeranleihen vermutlich eine geringere Bonitätsqualität zu als ihren US-Pendants mit vergleichbaren Kreditkennzahlen.
Die entscheidende Frage ist, ob das Spread-Aufgeld von Schwellenländer-Unternehmensanleihen im Vergleich zu Papieren aus den Industriestaaten auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Risiken, mit denen diese Anlageinstrumente behaftet sind, nach wie vor attraktiv ist. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass Schwellenländeranleihen mit ähnlichen Bonitätsratings durchweg höhere Zinsdifferenzen aufweisen als ihre Pendants aus den USA und Europa. Somit werden Anleger also nicht nur für das Kreditrisiko entschädigt, sondern erhalten auch noch eine Prämie, weil sie sich an den Schwellenländermärkten engagieren. Warum aber ist das so?
Man könnte etwa anführen, dass die Ratings von Schwellenländeranleihen keine Aussagekraft besitzen, weil die Ratingagenturen die volkswirtschaftlichen Risiken womöglich unterschätzen. Neben der Anfälligkeit der Emittenten für das Währungsrisiko zählen dazu vor allem ungünstige gesetzliche Vorgaben, die in einigen Ländern, in denen bisher nur sehr wenige Zahlungsausfälle aufgetreten sind, im Falle einer Insolvenz für ausländische Anleiheninvestoren gelten. Im Segment der eingestuften Schwellenländeranleihen gibt es durchaus „Rating-Fehleinschätzungen“ (das gilt übrigens auch für die etablierten Märkte), so dass Anleger nicht einfach blind auf diese Ratings vertrauen sollten. Allerdings sind die Ratingagenturen bei der Einstufung von Schwellenländer-Unternehmensanleihen in der Vergangenheit sehr konservativ vorgegangen. Deshalb scheinen diese Ratings mit Blick auf das gesamte Spektrum von Schwellenländer-Unternehmensanleihen vergleichsweise zuverlässiger geworden zu sein.
Eine zutreffendere Antwort auf die Frage, warum die Spreads von Schwellenländeranleihen gegenüber ihren Pendants aus den Industrienationen ein hohes risikobereinigtes Aufgeld bieten, ist meiner Meinung nach das Liquiditätsrisiko dieses Marktes. Denn (i) wird dieser Faktor von den Ratingagenturen nicht berücksichtigt, und (ii) sind Schwellenländer-Unternehmensanleihen nicht so liquide wie Papiere aus den etablierten Volkswirtschaften. Zwar sind natürlich grundsätzlich alle Märkte einem Illiquiditätsrisiko ausgesetzt, aber Papiere aus den Schwellenländermärkten reagieren auf das Liquiditätsrisiko vergleichsweise sensitiver. Die Gründe dafür sind die im Durchschnitt geringeren Emissionsvolumina sowie der Umstand, dass ausländische Investoren – die in der Regel nicht so hartnäckig an einer einmal getroffenen Investitionsentscheidung festhalten wie inländische Anleger – in schwankungsintensiven Marktphasen dazu neigen, das Risiko ihrer Engagements zu verringern. Die Liquidität an den Schwellenländermärkten war auch ein wichtiges Thema auf der jährlichen Sitzung des IWF, die im Oktober 2014 in Washington D.C. stattgefunden hat (zu Claudias Blog-Beitrag). Schließlich haben aufsichtsrechtliche Reformen im Finanzsektor dazu geführt, dass die Liquidität am Markt gesunken ist. Damit aber wurde an den Märkten für Schwellenländeranleihen eine Quelle der Instabilität geschaffen. Die nachfolgenden Grafiken liefern eindeutige Belege dafür, dass die Liquidität an den Märkten für Schwellenländer-Unternehmensanleihen nachgegeben hat. Denn im Vergleich zu den bereits in Umlauf befindlichen Schwellenländer-Unternehmensanleihen sind die Handelsvolumina bei diesen Papieren zuletzt wesentlich langsamer angestiegen. Der „Beendigungs-Koller“ aus dem letzten Jahr (der auch als „Taper Tantrum“ bezeichnet wird) war für die geringere Liquidität am Markt für Schwellenländer-Unternehmensanleihen ebenfalls symptomatisch. Allerdings hatten dazu auch ein ausgereiztes Bewertungsniveau sowie hohe, nicht nachhaltige Mittelzuflüsse seitens ausländischer Investoren beigetragen, die in den 12 Monaten bis Ende Mai 2013 in diese Anlageklasse geströmt waren.
Obwohl es aus diesem Grund entscheidend ist, sich die verschlechterte Liquiditätslage an den Schwellenländermärkten vor Augen zu führen, ist das Liquiditätsrisiko trotzdem nicht der einzige Grund für das attraktive risikobereinigte Spread-Aufgeld, das Schwellenländer-Unternehmensanleihen gegenüber ihren Pendants aus den Industrienationen bieten. So basiert diese Spread-Prämie meiner Einschätzung nach auch auf dem Umstand, dass sich die Anleger nur ungern an Märkten engagieren, mit denen sie nicht vertraut sind. Die Menschen fürchten sich nämlich vor dem Unbekannten, und bei Anleiheninvestments führt das Unbekannte zu Risiken und damit zu höheren Zinsdifferenzen. Einen Beleg für ein solches Verhalten seitens der Anleger könnte die Tatsache liefern, dass ausländische Investoren jedes Mal, wenn neue in Hartwährungen denominierte Anleihen emittiert werden, tendenziell höhere Preisaufschläge fordern als etwa lokale Investoren, obgleich die letzt genannte Gruppe in höherem Maße auf die entsprechende Währung ausgerichtet und sowohl mit dem operativen Umfeld als auch mit dem Länderrisiko am entsprechenden Markt vertrauter sein dürfte. Obwohl sich die Liquiditätslage an den Schwellenländermärkten also zuletzt eingetrübt hat, wird man dort im Gegensatz zu den Industrienationen dafür immer noch großzügig entlohnt.
Wie Sie wissen, haben uns die britischen Kriegsanleihen stets fasziniert, so dass wir uns auch auf diesem Blog bereits mehrfach damit beschäftigt haben (hier finden Sie einen Beitrag aus dem Jahr 2011, in dem wir angeregt hatten, dass diese Papiere abgelöst werden sollten). Anleihen und Krieg gehören untrennbar zusammen, und in der Vergangenheit stand ein Anstieg der Staatsverschuldung in den meisten Fällen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kosten für die Finanzierung von Konflikten oder den anschließenden Reparationen. Die diversen Kriegsanleihen, die derzeit noch in Umlauf sind, erzählen aber auch von den immensen finanziellen Problemen Großbritanniens während der 1930er Jahre sowie der daraus resultierenden Quasi-Staatspleite, die eine patriotisch motivierte (und dementsprechend freiwillige) Senkung des Kupons der 5-prozentigen Anleihe auf 3,5 Prozent zur Folge hatte. Außerdem sind sie Zeugen der inflationären Phasen der 1970er und 1980er Jahre, in denen der Wert dieser unbefristeten, lang laufenden Anleihen derart deutlich einbrach, dass die Renditen dieser Papiere höher waren als die entsprechenden Anleihenkurse. Bei British Pathé findet man eine Reihe großartiger Video-Clips aus der Zeit der oben genannten 2 Mrd. Pfund schweren Schuldumwandlung (in Form der Kuponsenkung). Darin wird beispielsweise Neville Chamberlain gezeigt, der seinen Plan auf dem Deck eines Schiffes präsentiert. Damals galt er als Mediengenie, das offensichtlich für die Wochenschau Gold wert war – der Russell Brand seiner Zeit.
Am Freitag kündigte der Schatzkanzler Ihrer Majestät an, dass eine kleinere Kriegsanleihe mit einem vergleichsweise hohen Kupon im Wert von 218 Mio. Pfund zum Nennwert (100) abgelöst werden wird. Diese Anleihe war 1927 zur Refinanzierung einiger Verbindlichkeiten, die noch aus dem Ersten Weltkrieg herrührten, emittiert worden. Nun liegt natürlich die Vermutung nahe, dass die übrigen Kriegsanleihen (einschließlich des 2 Mrd. Pfund schweren 3,5-prozentigen Papiers) ebenfalls abgelöst werden könnten, falls die Renditen so niedrig bleiben (Achtung: Wir halten diese und ähnliche britische Staatsanleihen, und es wäre schön, wenn das tatsächlich passieren würde!).
Was mich bei dieser Ankündigung allerdings hat aufhorchen lassen, war die Äußerung des Schatzkanzlers, dass „wir nur deshalb in der Lage sind, diesen Schritt heute zu gehen, weil diese Regierung zuletzt schwierige Entscheidungen getroffen hat, um die Staatsfinanzen wieder in den Griff zu bekommen… (Und) die Tatsache, dass wir mittlerweile keine hohen Zinsen mehr auf diese Gilts zahlen müssen, bedeutet in allererster Linie, dass die heutige Entscheidung für den Steuerzahler ein hervorragendes Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet“.
Ich vermute, dass die Ablösung dieser Anleihen tatsächlich ein ziemlich verlockendes Geschenk für den Steuerzahler ist. FT Alphaville hat errechnet, dass der Wert dieser Papiere durch die Inflation in realen Zahlen ausgedrückt derart aufgezehrt worden ist, dass sie nun zu lediglich 1,82 Pfund pro emittierten 100 Pfund abgelöst werden (selbst bei Not leidenden Schrottanleihen erhalten Anleger pro investiertem Pfund üblicherweise immerhin noch 40 Pence!). Aber bei all dem Gerede über die Ersparnis für den Steuerzahler: Falls diese Anleihe sagen wir einmal mit 3 Prozent pro Jahr refinanziert wird, kommt dies der Staatskasse mit lediglich 2 Mio. Pfund pro Jahr zugute. Und das angesichts eines Haushaltsdefizits von fast 100 Mrd. Pfund pro Jahr.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der „harte Kurs“ der britischen Regierung bei den Staatsfinanzen wirklich der Grund dafür ist, dass man diese Anleihe nun ablösen kann. Schließlich hat Großbritannien unter der amtierenden Regierung nicht nur sein so geschätztes AAA-Bonitätsrating verloren, sondern auch seinen bereits defizitären Haushalt in den meisten Monaten dieses Jahres noch überschritten, obwohl das Wachstum allmählich wieder anzieht. Die Ursache dafür waren hauptsächlich niedrige Steuereinnahmen. Nach Einschätzung des Institute of Fiscal Studies (IFS) bedürfte es zusätzlicher Sparmaßnahmen in Höhe von 37 Mrd. Pfund, um in den nächsten rund drei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Aus der nachfolgenden Grafik geht hervor, dass sich das britische Haushaltsdefizit in Prozent des BIP gerechnet sogar wesentlich weniger verbessert hat als das der anderen großen Volkswirtschaften weltweit. Stattdessen ist die britische Staatsverschuldung derzeit sogar um 100 Mrd. Pfund höher als noch vor einem Jahr und nähert sich inzwischen einem Niveau von 1,5 Bio. Pfund.
Die britischen Staatsfinanzen haben sich also keineswegs wesentlich verbessert. Ein Blick auf die nachfolgende Grafik zeigt sogar, dass die Fähigkeit, alte, unbefristete Anleihen mit niedrigen Renditen abzulösen, nicht auf spezifische britische Faktoren zurückzuführen ist. Vielmehr sind die Renditen an allen etablierten Märkten nach der Kreditkrise gesunken. Dieser Einbruch der Anleihenrenditen hat also nichts mit der Kreditwürdigkeit, sondern mit einer weltweiten Sparwut, einer quantitativen Lockerung (bzw. im Falle von Deutschland den Erwartungen darauf) und den Ängsten vor einer lang anhaltenden Stagnation und Deflation zu tun.
Weltweit mit am niedrigsten sind die Anleihenrenditen momentan in Japan – die Rendite 40-jähriger japanischer Staatsanleihen beträgt nur 1,77 Prozent. Gleichzeitig ist Japan aber auch eines der fiskalisch verantwortungslosesten Länder, dessen Haushaltsdefizit sich in den letzten 20 Jahren im Durchschnitt auf über 6 Prozent pro Jahr belief. Im Jahr 2013 lag das Defizit sogar bei 9,3 Prozent des BIP, während das Verhältnis Bruttostaatsverschuldung/BIP von rund 60 Prozent von Anfang der 1990er Jahre mittlerweile auf über 200 Prozent angestiegen ist. Die sehr niedrigen Anleihenrenditen liefern also kaum Hinweise auf die Fiskaldisziplin, sondern sagen eher etwas darüber aus, wie der Markt die langfristigen nominalen Wachstumsraten beurteilt. Aus diesem Grund könnte man also überhaupt nur anmerken, dass die niedrigen Anleihenrenditen – und damit auch die Ablösung der Kriegsanleihen – eher kein Grund zum Feiern sind, sondern vielmehr ein besorgniserregendes Signal, sprechen sie doch für ein sehr niedriges Wirtschaftswachstumspotenzial.
Blüht der 3,5-prozentigen Kriegsanleihe also dasselbe Schicksal wie den so genannten „Consol 4“-Papieren? Offensichtlich liegt die Latte für deren Ablösung wegen des niedrigeren Kupons ein bisschen höher, und der Anleihenkurs von etwas unter 92 bedeutet, dass man den Anlegern 8 Prozent Kapitalertrag schenken würde. Andererseits befürchtet das Debt Management Office aber auch, dass die Anleihenrenditen zwischen der Ankündigung vom letzten Freitag und dem Stichtag im nächsten Jahr, an dem das Geld schließlich zurückgezahlt wird, deutlich ansteigen könnten. Deshalb hat man den Eindruck, dass man die Anleihen eigentlich lieber in Umlauf halten möchte. Diese Peinlichkeit möchte man sich augenscheinlich ersparen, so dass eine wirtschaftlich klare Entscheidung und keine verschwommene Übergangslösung gefragt ist. Die Kuponzahlungen für die 3,5-prozentige Kriegsanleihe könnten der Regierung einen attraktiven Zeitpunkt für eine entsprechende Ankündigung im Rahmen eines frühzeitigen Haushaltsentwurfs im Vorfeld der Wahlen liefern, sofern die Renditen in etwa auf ihrem aktuellen Niveau bleiben. Da eine Ablösung also zum gleichen Zeitpunkt wie die Kuponzahlung zu erwarten ist, und eine solche Ablösung mit einer Vorlaufzeit von 90 Tagen angekündigt werden muss, könnte der 1. Juni ein durchaus denkbares Datum dafür sein.
Eine der vielen unbeabsichtigten Folgen der strukturell niedrigen Zinsen der letzten Jahre ist das zunehmende Aufkommen so genannter Mini-Anleihen in Großbritannien. Dabei handelt es sich üblicherweise um nicht-handelbare Schuldverschreibungen, die von den entsprechenden Unternehmen direkt an einzelne Investoren ausgegeben werden.* Wir hatten bereits über eine solche Anleihe berichtet, die von Chilango (einem in London ansässigen Anbieter von mexikanischem Essen) emittiert worden ist. In diesem Zusammenhang hatten wir auch einige der Risiken, mit denen diese Papiere im Vergleich zum etablierteren institutionellen Anleihenmarkt behaftet sind (nur sehr begrenzte Offenlegungspflichten, keine rechtlich bindenden Bedingungswerke, ein fehlender Abrufschutz sowie keine Sekundärmarktliquidität), hervorgehoben.
Nichtsdestotrotz erfreuen sich diese Anlageinstrumente zunehmender Beliebtheit, und zwar nicht nur wegen der Zinsen, die sie bieten, sondern auch aufgrund einiger eher exotischer Eigenschaften wie etwa Kupons in Form von Gütern und Dienstleistungen. Der jüngste Neuzugang in dieser Gruppe von Papieren ist die Firma Taylor Street Baristas, bei deren Anleihe die Investoren zwischen einem 8-prozentigen Barkupon und einem Einkaufsgutschein in Höhe von 12 Prozent wählen können.
Die Frage, die uns wirklich fasziniert, ist aber die, wer diese Anleihen denn überhaupt kauft. Schaut man sich einige der in den letzten drei Jahren emittierten Mini-Anleihen sowie die Nicht-Barkupons an, die diese Papiere bieten, können wir auf dieser Basis ein interessantes Profil des typischen „Mini-Anleihen-Investors“ erstellen.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Informationen ergibt sich daraus folgendes Anlegerprofil:
Wohnsitz: London. Das Angebot an Nahrungsmitteln (Taylor St Baristas, Chilango und Leon) kann nämlich nur dann wirklich genutzt werden, wenn man in London lebt und arbeitet und die entsprechenden Filialen somit auch regelmäßig besuchen kann. Solange diese Ketten nicht auch Filialen außerhalb der Hauptstadt eröffnen, ist der typische Mini-Anleihen-Anleger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deshalb also ein Londoner.
Urlaub: Im Südwesten. In Verbindung mit dem River Cottage-Rabatt (dessen Filialen sich hauptsächlich im Westen des Landes befinden) haben die Mr & Mrs Smith-Gutscheine zur Folge, dass es für unseren Mini-Anleihen-Investor durchaus reizvoll sein kann, seinen Urlaub in einem Boutique-Hotel dieses Unternehmens im Südwesten Englands zu verbringen.
Ernährung: Dürftig. Während River Cottage und Leon noch vergleichsweise gesunde Lebensmittel anbieten, sprechen der wöchentliche Burrito, Kaffeespezialitäten, jede Menge Schokolade sowie eine kontinuierliche Versorgung mit Weinen für einen recht ausschweifenden Lebensstil.
Hobbys: Cricket bzw. Pferderennen: Die vielen Veranstaltungen des Jockey Clubs bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, einen Tag auf der Rennbahn zu verbringen und als Sahnehäubchen noch einen Ausflug nach Old Trafford zu machen.
Ich möchte natürlich nicht so weit gehen zu behaupten, dass die Zielgruppe von Mini-Anleihen ausschließlich aus übergewichtigen Londoner Weinliebhabern besteht, die gelegentlich auch mal nach Newmarket fahren. Denn es gibt auch einen ernsten Aspekt, den es mit Blick auf die effekthascherischen Features dieses Marktes hervorzuheben gilt.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem man von Banken nur unter schwierigen Bedingungen Kredite erhält, ist eine neue Finanzierungsquelle für Unternehmen stets willkommen. Uns gefällt allerdings nicht, dass dies auf Kosten des Anlegerschutzes geht, den Anleiheninvestoren ja eigentlich genießen. Diese Schutzmechanismen haben sich im Laufe von Jahrzehnten am institutionellen Anleihenmarkt entwickelt und dienen einem wichtigen Zweck: dem Schutz der Rechte und damit auch des Kapitals der Investoren. Diese Mechanismen greifen nämlich, wenn es wirklich darauf ankommt und etwas schief geht. Bisher ist an diesem „speziellen“ Markt aber noch kein Zahlungsausfall aufgetreten, so dass diese Unzulänglichkeit bisher auch noch nicht zum Tragen gekommen ist.
Vor diesem Hintergrund würden wir uns wünschen, dass Mini-Anleihen zukünftig folgende Kriterien erfüllen:
- Abrufschutz: Falls ein Emittent seine Anleihe bereits vor ihrem eigentlichen Fälligkeitsdatum ablösen möchte (und zu diesem Zweck die so genannte Call-Option zieht), sollte der Investor eine Prämie auf den Nennwert der Anleihe erhalten, um dadurch möglicherweise entgangene Kuponzahlungen wieder auszugleichen.
- Adäquate Finanzdokumentation: Eine Historie der testierten Wirtschaftsabschlüsse einschließlich einer vollständigen Bilanzprüfung, einer Aufstellung der Cashflows sowie einer Gewinn- und Verlustrechnung muss offen gelegt werden. Außerdem muss sich der Emittent dazu verpflichten, die Investoren zeitnah über neue Prüfungsergebnisse zu informieren.
- Ausdrückliche Absicherung und/oder Pfandhinterlegung durch die Vermögenswerte des Unternehmens: Für den Fall einer Nichtbedienung sollte die Rangfolge der Anleihe innerhalb der Kapitalstruktur durch die Bezugnahme auf einen Bilanzwert ausdrücklich geregelt worden sein.
- Kapitalbeteiligung/Rendite: Sollte ein Emittent Kapital zur Finanzierung aggressiver Expansionspläne aufnehmen wollen, so ist es in Ermangelung einer Absicherung oder einer Kreditsicherheit nur fair, dass ein Investor, der sein Kapital riskiert, entweder in Form eines hohen Kupons oder durch eine Art Kapitalbeteiligung an den Erträgen solcher Aktivitäten ebenfalls partizipiert.
- Einschränkungen bei Auszahlungen und Kreditaufnahmen: Der Spielraum des Unternehmens, auf Kosten der Anleiheninvestoren Liquidität in Form von Dividenden auszuschütten, sollte ausdrücklich eingeschränkt werden. Gleiches gilt auch für die Möglichkeit, zusätzliche Kredite aufzunehmen, da dies für bereits die bestehenden Gläubiger ein Risiko darstellt.
- Transferierbarkeit: Die Option, eine Anleihe vor ihrer Fälligkeit von Dritten zu erwerben oder an Dritte zu verkaufen, würde einem Investor wesentlich mehr Spielraum verschaffen, sein Risiko und sein Engagement zu steuern.
Mit diesen zusätzlichen Eigenschaften würden auch Mini-Anleihen-Investoren in den Genuss einiger Vorzüge des institutionellen Marktes kommen, während sie gleichzeitig von den teilweise recht exotischen Kupons profitieren könnten, die diese Papiere bieten. Andernfalls ziehen Mini-Anleihen-Anleihen trotz Gratis-Wein und -Burritos im Vergleich zu den etablierteren Märkten für Unternehmensanleihen nämlich den Kürzeren.
*Anmerkung: Parallel dazu hat sich in Großbritannien, Italien und Deutschland ein vergleichsweise stärker regulierter Retail-Anleihenmarkt entwickelt, an dem die Emittenten einer strengeren Kontrolle unterliegen und die entsprechenden Anleihen börsengehandelt werden und damit transferierbar sind.
Bereits im letzten Jahr hatte ich mich in einem Blog-Beitrag mit dem Zustand des US-Arbeitsmarktes beschäftigt. Nachdem kürzlich die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung für den September veröffentlicht worden ist, scheint es ein guter Zeitpunkt zu sein, um noch einmal auf diese Gedanken zurückzukommen.
Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA ist ein Arbeitslosigkeitsindikator, der die Zahl der Menschen erfasst, die sich zum ersten Mal arbeitslos gemeldet haben. Somit repräsentiert dieser Indikator die zahlenmäßige Entwicklung jener Personengruppe, die Arbeitslosenunterstützung erhält. Im September ist diese Kennzahl mit insgesamt 288.000 Erstanträgen erstaunlich gering ausgefallen und hat damit ihren niedrigsten Monatsendstand seit Januar 2006 erreicht. Allerdings spiegeltsie die tatsächliche Stärke des Arbeitsmarktes nicht angemessen wider. Wenn man diese nämlich auf die gesamte Gruppe der Erwerbstätigen herunter bricht, so liegt die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung in Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in den USA mittlerweile sogar auf dem niedrigsten Stand seit mehreren Jahrzehnten.
Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung wird auf Monatsbasis erhoben, die OECD-Daten zur US-Erwerbsbevölkerung werden hingegen nur einmal im Jahr veröffentlicht. Deshalb gilt es besonders zu berücksichtigen, dass für 2014 noch gar keine aktuellen Zahlen vorliegen und stattdessen die Daten für 2013 hochgerechnet und seit Jahresbeginn stabil gehalten worden sind. Aus diesem Grund wird in der Grafik ein konservativeres Bild gezeichnet als es in Wirklichkeit ist, da das aktuelle Bevölkerungswachstum für das laufende Jahr 2014 noch gar nicht darin berücksichtigt wird. Wäre dies der Fall, dann wäre der Rückgang dieses Indikators sogar noch ausgeprägter.
Traditionell funktioniert Geldpolitik so, dass die US-Notenbank die monetären Zügel anzieht, sobald die Konjunktur wieder Fahrt aufgenommen hat und die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung sinkt. An der aktuellen Situation ist bemerkenswert, dass die Fed bisher aber noch nicht einmal damit begonnen hat, die Zinsen anzuheben. In der Vergangenheit wären diese Zinsanhebungsschritte der US-Notenbank, bei den derzeit niedgrigen Niveaus an Anträgen auf Arbeitslosenunterstützung, allerdings schon abgeschlossen gewesen.
Immer wieder hat die US-Notenbank angeführt, dass sie ihre Zinsentscheidungen von den Wirtschaftsdaten abhängig macht. Am Dienstag und Mittwoch kommender Woche wird der Offenmarktausschuss der Fed (FOMC) festlegen, ob man das quantitative Lockerungsprogamm nun tatsächlich einstellen wird oder nicht. Angesichts der oben erläuterten Aspekte, reagiert die US-Wirtschaft sowie der Arbeitsmarkt positiv auf die Stimuli . Da also immer mehr Menschen einer Beschäftigung nachgehen und immer weniger Personen Arbeitslosenhilfe beziehen, dürfte die Abwärtstendenz dieses Indikators – ebenso wie die positive Entwicklung anderer Arbeitsmarktindikatoren – zweifellos zu vielversprechenden Konjunkturaussichten beitragen. Das durch Risikoscheu ausgelöste Beben, das die Märkte in der vergangenen Woche erschütterte, hat jedoch die Frage aufkommen lassen, ob die jüngsten Wertschwankungen an den Börsen möglicherweise Auswirkungen auf die FOMC-Entscheidung zum QE-Programm haben werden. Berücksichtigt man jedoch, dass diese Turbulenzen durch niedrigere US-Einzelhandelsumsätze verursacht wurden , könnte man argumentieren, dass es sich hierbei um eine Kennzahl handelt, die ja per se volatil ist und deren Veröffentlichung an den Anleihenmärkten genau deshalb eine Überreaktion ausgelöst hat (die durch Panikverkäufe, technisch bedingten Transaktionen infolge von unterschrittenen Kurs-Limits etc. sogar noch verstärkt wurde).
Falls sich die Mitglieder des FOMC darüber einig sein sollten, dass die Reaktion des Marktes übertrieben war, so ist wohl davon auszugehen, dass sie ihre Entscheidung auf Basis der Fundamentaldaten sowie vor dem Hintergrund einer insgesamt wieder anziehenden Konjunktur treffen werden. Und falls sie ihren Worten dann auch die entsprechenden Taten folgen lassen, sollten sich die Märkte darauf einstellen, dass die Wertpapierkäufe auch wie geplant eingestellt werden.
Nachdem die US-Inflation im Mai 2014 noch einen Höchststand erreicht hatte, ist sie seit einigen Monaten überraschend niedrig. Den jüngsten Zahlen zufolge, die im September veröffentlicht wurden, liegt die Kern-Inflation der Verbraucherpreise (d.h. exklusive Lebensmittel und Energie) derzeit bei lediglich 1,7 Prozent, wobei diese Schwäche größtenteils auf sinkende Konsumgüterpreise zurückzuführen ist. Laut des US Bureau of Labor Statistics (BLS) sind die durchschnittlichen Importpreise (einmal abgesehen von Benzin) seit nunmehr sechs Monaten nicht angestiegen. Ein stärkerer US-Dollar, rückläufige Rohstoffpreise sowie deutliche Preissenkungen haben den Aufwärtsdruck aus dem Dienstleistungssektor wieder mehr als ausgeglichen. Ganz grundsätzlich hat die Disinflation, die in den letzten zwei Jahren im Segment Konsumgüter zu beobachten war, die allgemeine Inflation der US-Verbraucherpreise also eingedämmt. Dieser Umstand erlaubte es der US-Notenbank, Ankurbelungsmaßnahmen umzusetzen, um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.
In Zukunft dürfte sich dies allerdings ändern. Die Disinflation im Konsumgütersektor lässt letztlich wieder nach, und die feste Tendenz an den Immobilien- und Arbeitsmärkten belastet die Preise in einigen Dienstleistungssektoren bereits. Worauf sollte man sein Augenmerk also derzeit richten? Wie üblich steckt der Teufel auch hier sehr im Detail. Es gibt zwei vorrangige Indikatoren für die Inflation im Dienstleistungssektor, die man ganz genau im Auge behalten sollte.
Zunächst einmal handelt es sich dabei um die Wohnungsmieten. Die Ausgaben für Wohnraum sind eine der größten Komponenten der allgemeinen Inflation der US-Verbraucherpreise und werden aus den Wohnungsmieten und nicht aus den Häuserpreisen abgeleitet.
Wie die nachfolgende Grafik zeigt, gehen die Leerstandsraten momentan rasant zurück und liegen aktuell mit lediglich 7,5 Prozent auf dem niedrigsten Niveau aller Zeiten. Dies deutet darauf hin, dass das Angebot am Markt für Mietwohnungen rasch knapper wird, so dass die Mietkosten in den nächsten 12 bis 18 Monaten zwangsläufig steigen werden. Falls dieser Trend anhalten sollte, könnte das derzeitige Angebot an Wohnimmobilien schon bald nicht mehr ausreichen, um den infolge einer besseren Lage am Arbeitsmarkt und einer wohlhabenderen Haushaltsstruktur wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden.
Darüber hinaus könnten die Wohnungsmieten angesichts der aktuellen Leerstandsraten in den kommenden 12 Monaten um 4 bis 4,5 Prozent nach oben klettern. Und da die Mieten etwa 40 Prozent der allgemeinen Inflation der Verbraucherpreise ausmachen, könnten höhere Mieten damit auch die jährliche Teuerungsrate deutlich nach oben treiben.
Der zweite Indikator, dem man Aufmerksamkeit schenken sollte, ist die Entwicklung der Gesundheitskosten. Dabei handelt es sich um die größte Komponente des Index für die persönlichen Konsumausgaben, der auch als „PCE Deflator“ bezeichnet wird (jene Kennzahl, an der sich auch der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) tendenziell orientiert), denn dieser Bereich repräsentiert rund 20 Prozent des Index.
Die Kostensteigerung im Gesundheitswesen dürfte durch eine bessere Beschäftigungslage ebenfalls nach oben getrieben werden. Da die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung zurzeit auf Mehrjahrestiefs liegt und der Beschäftigungsgrad im nicht-landwirtschaftlichen Privatsektor wieder auf Vorkrisenniveau angestiegen ist, sollte auch die Nachfrage im Segment Gesundheit anziehen. Darüber hinaus wird laut US-Gesundheitsministerium wohl auch das neue „Obamacare“-Programm dazu beitragen, dass die Gesundheitskosten nach oben klettern, da vormals nicht krankenversicherte Personen dadurch Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt wird. Langfristig sollte die steigende Nachfrage nach Gesundheitsprodukten und -dienstleistungen angesichts eines vergleichsweise konstanten Angebots die Preise im medizinischen Bereich nach oben treiben.
In den letzten drei Jahren lag der Preisanstieg im Dienstleistungssektor durchgehend bei über 2 Prozent. Da sich die Lage am Arbeitsmarkt mittlerweile wieder verbessert und allmählich ein Lohndruck entsteht, könnte sich die Inflation im Bereich Dienstleistungen sogar noch intensivieren. Aus der nachfolgenden Grafik geht hervor, wie eng diese beiden Kennzahlen seit der großen Finanzkrise miteinander korreliert sind.
Bisher ist die Inflation durch den Abwärtsdruck auf die Preise für Importgüter am stärksten gezügelt worden. Da die Inflation im Dienstleistungssektor mit Blick auf die allgemeine Inflation der Verbraucherpreise aber dreimal so stark gewichtet ist wie die Inflation der Konsumgüter, müsste die letzt genannte Kennzahl aber schon außerordentlich deutlich sinken, um einen Anstieg der Teuerungsrate abzuwenden.
Mit dem Kauf von Covered Bonds im Wert von 1,7 Mrd. Euro haben die „QE-Maßnahmen light“ der Europäischen Zentralbank (EZB) in der letzten Woche nun wirklich und wahrhaftig eingesetzt. Dabei stehen bisher vor allem Covered Bonds und wertpapiermäßig besicherte Anleihen im Fokus. In der vergangenen Woche trieb jedoch ein Artikel von Reuters den Markt um. Es kursierte nämlich ein Gerücht, wonach die EZB demnächst eine Ausweitung ihres Kaufprogramms auf die Sekundärmärkte für Unternehmensanleihen in Erwägung zieht. Dies wurde von Notenbank-Vertretern aber umgehend dementiert. Allerdings hat die EZB zuletzt noch erklärt, dass sie ihre Bilanz zwecks einer Ankurbelung der Nachfrage wieder auf das Niveau aus dem Jahr 2012 ausweiten wolle (was gleichbedeutend mit Wertpapierkäufen in Höhe von rund 1 Bio. Euro wäre), und viele bezweifeln, dass sich dies allein durch den Kauf von Covered Bonds und wertpapiermäßig besicherten Anleihen erreichen lässt. Unter dem Aspekt, dass QE-Maßnahmen in Form von Staatsanleihenkäufen im Wesentlichen darauf hinauslaufen würden, dass die Zentralbank Staaten finanziert, dürften die nächstbessere Alternative wohl Unternehmensanleihen (d.h. ein „QE-Programm plus“) sein.
Sollte es wirklich zu „QE-Maßnahmen plus“ kommen, welche Mitgliedsstaaten der Eurozone würden davon dann wohl am meisten profitieren? Unter der Annahme, dass die EZB einen ausgewogenen Mix in Euro denominierter Anleihen von Unternehmen aus dem Euroraum erwerben möchte, habe ich den Merrill Lynch Euro Non-Financial-Index nach diesen Papieren durchsucht und einer Neugewichtung unterzogen, um dadurch ein Barometer für ein theoretisches Spektrum für Unternehmensanleihenkäufe seitens der EZB zu erhalten. Anschließend habe ich den Beitrag jedes einzelnen Staates zum BIP der Eurozone insgesamt berechnet (Hinweis: Griechenland, Lettland, Malta und Zypern wurden bei dieser Analyse nicht berücksichtigt, weil sie ja auch im ursprünglichen Index nicht vertreten sind). Dann habe ich die Differenz zwischen diesen beiden Werten (d.h. das Nachfragepotenzial) ermittelt, um festzustellen, welche Länder angesichts solcher „QE-Maßnahmen plus“ zu den größten Gewinnern und Verlierern zählten könnten. Obwohl dieser Ansatz äußerst hypothetisch ist, sind die Ergebnisse dieser Analyse jedoch durchaus interessant. Mit einem Beitrag von lediglich 21,7 Prozent zum BIP der Eurozone, aber einem Anteil von 39 Prozent am potenziellen Spektrum für Unternehmensanleihenkäufe der EZB dürfte Frankreich mit einem Nachfragepotenzial von 17,5 Prozent wohl der klare Gewinner sein. Darüber hinaus sind die Niederlande das einzige Land, bei dem die Nachfrage nach Anleihen den Beitrag zum Euroraum-BIP ebenfalls übersteigt. Alle anderen Staaten scheinen hingegen im Nachteil zu sein. Das gilt vor allem für Deutschland, auf das zwar über ein Viertel des BIP der Eurozone entfällt, aber trotzdem am unteren Ende der Tabelle rangiert. Für Estland und Luxemburg scheint das Verhältnis recht ausgeglichen zu sein. In den Peripheriestaaten ist das Nachfragepotenzial zwar durchweg unterproportional, doch Italien und Portugal dürften am meisten beeinträchtigt werden.
Geht man nun noch einen Schritt weiter und nimmt an, dass die EZB analog zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber einer Staatsfinanzierung durch die Zentralbank den Kauf von Anleihen in Staatsbesitz befindlicher Firmen (z.B. Papiere von Versorgern und Industriekonzernen) ausschließt, würde dies das Anlagespektrum noch weiter einschränken. Wegen des Vorteils Frankreichs würden die meisten Staaten zwar immer noch weniger herausbekommen als sie hineingeben, mit Ausnahme von Belgien und Finnland (die dabei noch schlechter wegkommen) wäre die Diskrepanz jedoch weniger ausgeprägt. Eine große Ausnahme dabei ist Spanien, denn dieses Land würde unter dem Strich ebenso von Unternehmensanleihenkäufen der EZB profitieren wie Frankreich und die Niederlande. Der andere bedeutende Ausreißer ist Estland, wo das Verhältnis zuvor noch ausgewogen war, denn dieser Staat zieht jetzt den Kürzeren, weil sich keine Anleihen für dieses neue Kaufspektrum qualifizieren (bis dahin war dieses Land lediglich mit einem einzigen staatlichen Versorger im Index vertreten).
An dieser Stelle möchte ich noch einmal eindringlich darauf hinweisen, dass dieser Blog-Beitrag schon im Ansatz äußerst theoretischer Natur ist. Trotzdem liefern die Ergebnisse dieser Analyse durchaus interessante Denkanstöße. Denn obwohl die EZB einen einheitlichen und dezentralisierten Ansatz anstreben dürfte, wird es auf politischer Ebene zweifellos sowohl Gewinner als auch Verlierer geben (und das ist nicht einfach nur eine Frage von Kernstaaten und Peripherieländern). Dies gilt insbesondere, falls die EZB ihr QE-Programm noch weiter einschränken sollte, um so lediglich das potenzielle Kaufspektrum zu verkleinern. Falls die EZB die Gefahr einer jahrelangen Deflation wirklich ernsthaft beseitigen möchte, sollte sie sich von „QE-Maßnahmen light“ und auch von „QE-Maßnahmen plus“ verabschieden und stattdessen im Rahmen von wirklich umfassenden Staatsanleihenkäufen den größten und liquidesten Anleihenmarkt ins Visier nehmen.