Hätte man Anfang 2014 eine Liste erstellt, welche Anlageklassen sich im kommenden Jahr weltweit wohl am besten entwickeln würden, hätten inflationsgebundene britische Staatsanleihen auf dieser Liste vermutlich nicht ganz oben gestanden. Und noch unwahrscheinlicher wäre gewesen, dass man in Hartwährungen denominierte argentinische Staatsanleihen auf den zweiten Platz gesetzt hätte, zumal 2014 ja von einem Zahlungsausfall Argentiniens die Rede war.
Angesichts des überraschenden Plus von 19,9 Prozent, das inflationsgebundene Gilts* in diesem Jahr vorgelegt haben, könnte man annehmen, dass Großbritannien eine Art Inflationsproblem hat. Tatsächlich ist aber so ziemlich genau das Gegenteil der Fall. Im letzten Jahr kletterte der britische Verbraucherpreis-Index (CPI) zwar um 2 Prozent nach oben und erreichte damit die Zielvorgabe der Bank of England, doch die Zahlen, die am Donnerstag veröffentlicht wurden, belegen, dass die Inflation der Verbraucherweise im Jahreszeitraum bis November 2014 lediglich 1,0 Prozent betragen hat. Gleichzeitig sind auch die längerfristigen Erwartungen des Marktes für die implizite Inflation gesunken. Schaut man sich die Breakeven-Inflationsrate mit Sicht auf 10 Jahre an, so spiegelt sich in den Kursen am britischen Anleihenmarkt auf Basis des Einzelhandelspreis-Index (RPI) eine durchschnittliche Teuerung für das nächste Jahrzehnt von rund 2,6 Prozent wider. Zu Beginn dieses Jahres lag der RPI (die gleichzeitig als Basis für inflationsgebundene Anleihen herangezogen wird) noch bei über 3,1 Prozent. Geht man davon aus, dass die Differenz zwischen RPI und CPI laut einer Schätzung der Bank of England (siehe Seite 34) auf lange Sicht bei 1,3 Prozent liegt, dann entspricht dies in den nächsten 10 Jahren einer durchschnittlichen Inflation der Verbraucherpreise von etwa 1,3 Prozent – eine Zahl, die 0,7 Prozent unter dem Inflationsziel der Bank of England von 2,0 Prozent liegt.
Der Hauptgrund für die phänomenalen Erträge am Markt für inflationsgebundene Gilts besteht darin, dass diese Anlageklasse inzwischen eine außerordentlich lange Duration aufweist, weil die Renditen von Staatsanleihen deutlich zurückgegangen sind. Schließlich handelt es sich bei der Duration ja um den Sensitivitätsmesser für den Kurs einer Anleihe im Hinblick auf Veränderungen des Zinsniveaus. Im Wesentlichen ist dies der Grund dafür, dass Fonds für inflationsgebundene Gilts ähnlich wie konventionelle Fonds für britische Staatsanleihen mit hohem Beta tendieren.
Der dramatische Anstieg der Duration am Markt für inflationsgebundene Gilts hat zwei Ursachen. Aus der nachfolgenden Grafik geht zwar hervor, dass diese Duration aufgrund der Rallye am Markt immer länger geworden ist, im Wesentlichen ist die längere Duration aber auch der Auslöser für diese Marktrallye. Im Verlauf einer ausgeprägten Hausse an den Anleihenmärkten (wie der, die der Markt für inflationsgebundene Papiere etwa 20 Jahre lang verzeichnet hat) entwickeln sich Anleihen mit längeren Laufzeiten dank ihrer längeren Duration auch tendenziell überdurchschnittlich. Deshalb haben lang laufende Anleihen auch einen immer größeren Anteil an einem marktgewichteten Index, so dass die Duration des Index insgesamt ansteigt, wenn gleichzeitig auch der Markt nach oben klettert. Deshalb könnte man sich letztlich in der ziemlich unangenehmen Situation wiederfinden, in der eine Rallye am Markt dazu führt, dass das Zinsrisiko (die Duration) einer Anlageklasse ebenfalls ansteigt, weil die potenziellen Erträge angesichts von Renditen, die bei etwa 0 Prozent liegen, sinken (inflationsgebundenen Anleihen ist ferner eigen, dass die Renditen einer Nullzinspolitik zwar trotzen können – und dies zuletzt auch bereits getan haben – doch ohne einen Anstieg der Inflationserwartungen werden die realen Renditen dieser Papiere per definitionem zurückgehen, sobald die nominalen Renditen die Marke von 0 Prozent erreicht haben).
Der zweite Grund, weshalb die Veränderung der Duration bei inflationsgebundenen Gilts besonders ausgeprägt ausfiel, ist das schiere Volumen an Emissionen lang und extrem lang laufender inflationsgebundener Gilts. Das britische Debt Management Office hat verständlicherweise versucht, die unstillbare Nachfrage seitens inländischer Pensionsfonds und anderen Institutionen nach lang laufenden Inflationsabsicherungen zu befriedigen. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie sich der Markt für inflationsgebundene Gilts auf Basis der Laufzeiten entwickelt hat. Dabei wird der nominale Wert der umlaufenden Anleihen berücksichtigt. Es ist bemerkenswert, dass sich das Segment mit Laufzeiten von über 30 Jahren seit 2007 mehr als verdreifacht hat.
Momentan wird die inflationsgebundene britische Staatsanleihe mit der längsten Laufzeit 2068 fällig und weist eine Duration von 52 Jahren auf. Die reale Rendite dieser Anleihe lag zu Beginn dieses Jahres bei +0,04 Prozent und ist bis zum Ende des gestrigen Handelstages auf -0,73 Prozent zurückgegangen. Damit hat sie gerechnet seit Jahresbeginn einen reinen Kursertrag (d.h. ohne Zinsen) von +48,7 Prozent erzielt. Wer hat übrigens noch mal behauptet, dass Anleihen langweilig sind?
Reale Renditen lang laufender Papiere auf einem derart negativen Niveau sind beunruhigend. Womöglich ist der Markt komplett fehlbewertet, und uns steht erneut eine Ära positiver realer Renditen bevor. In einem solchen Fall würden die Anleger heftige Verluste erleiden (denn falls die reale Rendite der inflationsgebundenen Anleihe bis 2068 von -0,73 wieder auf +1 Prozent ansteigen würde, würde der Anleihenkurs auch wieder um nahezu 60 Prozent fallen).
Falls die Fundamentaldaten am Markt für inflationsgebundene Gilts aber korrekt berücksichtigt werden, ergibt sich daraus im Hinblick auf das langfristige Wachstumspotenzial Großbritanniens ein außerordentlich düsteres Bild. Zweifellos basieren die Anleihenmärkte auf der Voraussetzung einer lang anhaltenden Stagnation (mehr dazu finden Sie hier). Wie wir bereits in einem früheren Blog-Beitrag erläutert haben (siehe erste Grafik hier), besteht zwischen dem nominalen BIP-Wachstum Großbritanniens und den langfristigen nominalen Renditen britischer Staatsanleihen eine durchaus enge Korrelation. Inflationsgebundene Gilts gibt es zwar erst seit Anfang der 1980er Jahre, doch aus der obigen Beobachtung lässt sich folgern, dass es auch eine vergleichsweise enge Korrelation zwischen dem realen BIP-Wachstum Großbritanniens und den langfristigen realen Renditen geben sollte. Die Renditen inflationsgebundener Gilts mit langen Laufzeiten liegen derzeit zwar bei -0,7 Prozent, doch diese fußen auf dem RPI und nicht auf dem CPI. Deshalb muss die oben genannte 1,3-prozentige Differenz zwischen dem RPI und dem CPI also noch mit eingerechnet werden. Dann erst erhält man auf Basis des CPI eine reale Rendite von rund +0,6 Prozent.
Falls der Anleihenmarkt also richtig liegt und Großbritannien ein langfristiges Wachstumspotenzial von lediglich +0,6 Prozent pro Jahr aufweist, dann dürften die Erfahrungen, die Japan in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht hat, demgegenüber noch vergleichsweise gut sein.
* Der FTSE UK Index Linked All Stocks-Index hat bis gestern in britischen Pfund gerechnet 19,9 Prozent zugelegt, während der etwa gängigere FTSE UK Index Linked Over 5 year-Index ein Plus von 22,5 Prozent aufwies.
Es ist zwar schon eine ganze Weile her, dass wir uns hier mit der quantitativen Lockerungspolitik beschäftigt haben, aber in der Vergangenheit haben wir uns bereits eingehend mit diesem Thema auseinandergesetzt (siehe beispielsweise auch „Unter 0 Prozent?“, „QE-Maßnahmen – ziemlich ungewöhnlich“ und „Quantitative Lockerung – ein Eiertanz“). Allerdings scheint die QE-Politik – zumindest für den Moment – sowohl in Großbritannien als auch seit kurzem in den USA der geldpolitischen Historie anzugehören. In Japan greift man hingegen erneut zu quantitativen Lockerungsmaßnahmen, und auch in weiten Teilen Europas zieht man eine weitere Lockerung der Geldmarktpolitik in Betracht. In unseren früheren Blog-Beiträgen haben wir versucht, ein seinerzeit noch neues Experiment zu analysieren. Welche Schlussfolgerungen ziehen wir nun, da uns die praktischen Auswirkungen dieser Theorie ja jetzt bekannt sind?
Konzentrieren wir uns zunächst einmal auf das Wesentliche. Im Rahmen der Geldpolitik ist die Nullzinsmarke bereits erreicht worden, so dass die Kurzfristzinsen nicht weiter gesenkt werden können. Deshalb ist es also an der Zeit, neues Geld zu drucken. Natürlich muss die Notenbank aber auch in der Lage sein, ihre Geldpolitik wieder zu verschärfen, indem sie dem Markt das frisch gedruckte Geld wieder entzieht. Aus diesem Grund bevorzugen die Währungshüter den Aufkauf marktbreiter, liquider und risikofreier Anleihen und erwerben deshalb in großem Stil Staatsanleihen.
Dadurch werden auch die längerfristigen Zinsen in Richtung auf 0 Prozent gesenkt, was die Aufnahme von Krediten mit langen Laufzeiten fördern sollte. Gleichzeitig werden dadurch aber auch das langfristige Sparen erschwert, die Asset-Preise (für Immobilien und Aktien, die durch die Langfristzinsen beeinflusst werden) nach oben getrieben und durch den daraus resultierenden Vermögenseffekt letztlich das Wachstum angekurbelt.
Die oben genannten Effekte – allen voran der Vermögenseffekt – dienen den Befürwortern der QE-Politik als Beweise dafür, dass die quantitativen Lockerungsmaßnahmen in Form höherer Asset-Preise tatsächlich funktioniert haben. So wird diese Grafik oftmals als Beleg für die Korrelation zwischen QE-Maßnahmen und Asset-Preisen angeführt (hier Grafik einfügen). Tatsächlich sind die Asset-Preise angestiegen, während erneut ein Wachstum eingesetzt hat. Wo aber ist die Inflation?
In Ländern, in denen die Wechselkurse zusammengebrochen sind (wie etwa in Großbritannien und Japan), war vorübergehend wirklich eine inflationäre Tendenz zu verzeichnen. In Großbritannien hat sich diese Entwicklung jedoch als lediglich kurzzeitiges Phänomen erwiesen, und für Japan dürfte dasselbe gelten, sobald sich der Yen, der in den letzten drei Jahren gegenüber dem US-Dollar um mehr als 50 Prozent abgewertet hat, wieder stabilisiert.
Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe, weshalb keine Inflationstendenz eingesetzt hat. Zunächst einmal wird die Teuerungsrate nicht ausschließlich durch die Geldpolitik bestimmt, sondern ist auch eine Folge anderer Faktoren – vom Ölpreis über die Produktivität, die Technologie, und die Inflationserwartungen bis hin zum Ausmaß der Marktliberalität. Die Entwicklung des Ölpreises verlief zuletzt zwar außerordentlich schwankend und löste zyklische Wellen von Inflation und Disinflation aus, die übrigen vier Faktoren tragen jedoch seit vielen Jahren kontinuierlich zu einer strukturell bedingt niedrigen Inflation bei.
Schauen wir uns nun einmal an, welche Auswirkungen die QE-Politik aus monetärer Perspektive hat. Schließlich tauscht die Notenbank lediglich liquide Mittel gegen praktisch ebenfalls liquide Mittel aus. So erhalten die bisherigen Besitzer von Staatsanleihen beim Verkauf dieser Papiere Geld, während die Notenbank nun Staatsanleihen besitzt. Die Zinsen sind zwar über die gesamte Zinskurve hinweg gesunken, aber dem Wirtschaftskreislauf wurde im Prinzip kein frisches Geld zugeführt. Vielmehr wurde die verfügbare Liquidität im Gegenzug für eine andere Form von liquiden Mitteln – nämlich Staatsanleihen – bereitgestellt.
Darüber hinaus gehen die Notenbanken beim Drucken von Geld sehr konservativ vor, so dass sich die Auswirkungen auf das Wachstum sowie die Inflation lediglich auf Vermögenseffekte und einen Rückgang der Langfristzinsen beschränken.
Der Zinseffekt, den die Absenkung der gesamten Zinskurve in Richtung auf 0 Prozent zur Folge hat, wird seine eigene Nulllinie erreichen und dann keine Wirkung mehr zeigen. Gleiches gilt für Kurzfristzinsen von etwa 0 Prozent. Darüber hinaus wird auch der Vermögenseffekt nachlassen, weil die rationalen Markterwartungen der Anleger in diesem Zusammenhang an ihre Grenzen stoßen werden (übrigens ebenso wie die Inflationserwartungen). Gleichzeitig werden wohl auch die Asset-Preise nicht mehr so kräftig ansteigen. Und jene Vermögenswerte, die nach wie vor Zuwächse verzeichnen, befinden sich im Besitz von Personen, die entweder ihren Grenzkonsum senken werden, weil ihr Wohlstand ansteigt, oder die gar keinen Zugang zu diesen Papieren haben, weil sich diese beispielsweise in einem Pensionsfonds befinden. Aus diesem Grund also hat die QE-Politik in ihrer aktuellen Ausprägung eine Nullmarke erreicht.
Als wir uns erstmals mit der quantitativen Lockerung beschäftigt haben, herrschte große Angst vor, dass diese Maßnahmen in einer Inflationsspirale münden würden, weil dabei ja in großem Stil Geld gedruckt wird. Allerdings ist dies im Rahmen der QE-Politik bisher auf sehr verantwortungsvolle Art und Weise geschehen. Wenn man sich aber auf die eher philosophischen Ursprünge beziehen würde, die „Helikopter-Ben“ Bernanke im Jahr 2002 in seiner Rede von dem National Economists Club hervorgehoben hat, müsste das Ergebnis eigentlich zwangsläufig eine Inflation sein. Denn wenn man ohne Gegenleistung Geld druckt, hat dies eben einen inflationären Effekt zur Folge. Druckt man hingegen Geld und tauscht dieses dann gegen etwas ähnliches (z.B. Staatsanleihen) ein, dann ist das nicht dasselbe.
Glücklicherweise ist es dank monetärer und fiskalpolitischer Maßnahmen gelungen, das Wachstum wieder anzukurbeln, obwohl die Inflation nach wie vor niedrig ist. Wird das neue Mitglied des QE-Fanclubs – die EZB – mit ihrem traditionellen QE-Programm aber langfristig eine wirklich nennenswerte Inflation hinbekommen? Ich bezweifle das. Schließlich hat das bisher auch kein anderer geschafft.
Vor einigen Wochen war ich in Hongkong, um dort mehr über den chinesischen Markt für Unternehmensanleihen zu erfahren. Zunächst einmal ist dieser Markt riesig und wächst rasant. Gleichzeitig steht man dort aber auch vor einigen durchaus bekannten Schwierigkeiten: dem großen Anteil von Immobilienanleihen, dem Mangel an Informationen über die Emittenten (die in der Regel lediglich von inländischen Ratingagenturen eingestuft werden) und – was vermutlich am beunruhigendsten ist – dem Problem der strukturellen Nachrangigkeit. So haben viele in chinesischen Anleihen investierte Anleger bereits feststellen müssen, dass sie sich mit ihrer Forderung gegen die Vermögenswerte einer chinesischen Firma, die sie eigentlich für vorrangig hielten, letztlich noch hinter den Aktieninvestoren anstellen mussten, wenn es um die Auszahlung ging. So waren die Erholungswerte ausländischer Anleger in China in der Vergangenheit nur mäßig, wenn etwas schief gelaufen ist. In diesem kurzen Video werfen wir einen Blick auf einige dieser Papiere und gehen darüber hinaus auf das Schattenbanken-System sowie auf „Dim Sum“-Anleihen ein.
Bitte beachten Sie, dass das folgende Video in englischer Sprache aufgenommen wurde.