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19/04/24

Ich habe gehört, mehr oder weniger ernsthaft, dass das größte Risiko für die Eurozone bei einem griechischen Austritt nicht etwa eine kollabierende griechische Wirtschaft sei, sondern eine, die gedeiht und blüht. In diesem Szenario steht Griechenland vor einem Neubeginn, ist schuldenfrei und in der Lage, Sparmaßnahmen durch eine finanzpolitische Lockerung zu ersetzen. Eine „neue Drachme“ lockt Touristen und ermutigt einen Aufschwung im produzierenden Gewerbe und in der Landwirtschaft. Die anderen verschuldeten und unter Sparmaßnahmen leidenden europäischen Nationen werden sich dem griechischen Vorbild anschließen, wenn sie die Vorteile eines Austritts aus der Eurozone sehen, ihre Schulden hinter sich lassen und so zur totalen Auflösung der Europäischen Union in ihrer jetzigen Form beitragen (und zur zweiten großen Finanzkrise in nur einem Jahrzehnt). Eine regelmäßig angeführte Parallele ist die Abwertung Argentiniens im Jahr 2002 und die darauf folgende Konjunkturerholung. Wir haben bereits vor einigen Jahren über die Gemeinsamkeiten dieser beiden Volkswirtschaften geschrieben. Sie können unseren damaligen Blog hier.

Im Anschluss an vier Jahre mit negativem BIP-Wachstum (bis zu -10% p.a.) und nach Ablegen der Zwangsjacke der Währungsanbindung sah Argentinien eine fünfjährige Erholung mit hohem einstelligem BIP-Wachstum in jedem Jahr. Können wir bei einem Austritt aus der Eurozone von Griechenland eine ähnlich gute wirtschaftliche Erholung wie von Argentinien im Anschluss an die Abkopplung des Pesos vom USD erwarten?

Argentinien erlebte nach Ende der Anbindung an den USD eine enorme Wachstumserholung

 

Argentiniens reales BIP (jährlich und im Jahresvergleich)

Zwischen der Krise in Argentinien und der in Griechenland gibt es viele wirtschaftliche Gemeinsamkeiten: überbewertete Währungsbindungen, eine unhaltbare Schuldenlage und die Einschaltung des IWF, schwache Steuereinnahmen, eine fragwürdige statistische Genauigkeit sowie hohe Arbeitslosigkeit.

Der argentinische Peso wurde im Anschluss an die Hyperinflation der 1980er Jahre an den USD angebunden. Die Inflation fiel dramatisch, und diese Stabilität in Kombination mit der stärkeren Währung führte zu einer Verbesserung des Lebensstandards und einem großen Zuwachs an Importen. Es kam allerdings auch zu Kapitalflucht, da die Nachhaltigkeit der Währungsanbindung vielerorts in Frage gestellt wurde, und das Leistungsbilanzdefizit schoss nach oben. 1999 kühlte sich die Konjunktur ab, die Arbeitslosigkeit kletterte auf 15% und die öffentliche Verschuldung erreichte ein alarmierendes Niveau. Die Auslandsschulden stiegen auf 50% des BIP und der Regierung wurde vom IWF auferlegt, dass nur Sparmaßnahmen Zugang zu neuen Finanzmitteln zulassen würde. Die Marktzinsen verdoppelten sich fast auf 16%, und Argentiniens Bonität wurde auf Junk-Status abgestuft (im Folgenden kam es zu einer Umstrukturierung der Schulden). Letzten Endes verweigerte der IWF die Freigabe weiterer Finanzmittel, da die Regierung die Ziele zur Reduzierung des Haushaltsdefizits nicht einhalten konnte. Ende 2001 lagen die Anleiherenditen um 42% höher als die Renditen auf US-amerikanische Staatsanleihen, und Bankkonten waren mehr oder weniger eingefroren („Corralito“), um einem Ansturm auf die Banken vorzubeugen. Inmitten des politischen Chaos, der Unruhen (die zunehmende Ungleichheit war ein weiterer Aspekt der argentinischen Wirtschaft) und einem Mangel an USD gaben die Kommunen alternative IOU-Währungen heraus (Claudia Calich, hier im Büro, besitzt einige „Patacons“ von Buenos Aires. Wir habe einige Bilder auf @Bondv_deutsch und @bondvigilantes getweetet. Im Januar 2002 wurde der Peso dann vom USD abgekoppelt, wurde abgewertet und der Wechselkurs war flexibel. Bankkonten und Investments in US-Dollar wurden gezwungenermaßen in Pesos umgewandelt. Der Wechselkurs kletterte von 1:1 auf 1:4. Die Inflation kehrte zurück, importierte Güter wurden Mangelware, Unternehmen meldeten Konkurs an und die Arbeitslosenquote erreichte 25% mit zusätzlich 19% Unterbeschäftigung. (Wikipedia hat eine ausgezeichnete Zeitachse der Krise Argentiniens mit wesentlich mehr Einzelheiten. Ich würde ebenfalls Arturo O’Connells Studie „The Recent Crisis – and Recovery – of the Argentine Economy” empfehlen).

 

In 2003 kam es zu einer Trendwende und genau diese Erholung ist es, die darauf hoffen lässt, dass Griechenland nach dem Verlassen des Euro dem Vorbild Argentiniens folgen kann. Tourismus leistete dabei einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum, da die schwache Währung Argentinien zu einem günstigen Reiseland machte. Im Jahr 1997 leistete die Tourismus- und Reisebranche einen Beitrag von 7,5% zum BIP, der bis 2006 auf 12,5% anwachsen sollte.  Griechenland hat eine deutlich größere Tourismusindustrie, die jetzt schon 18% des BIP ausmacht.  Die Frage ist, ob die große Tourismusbranche Griechenlands eine Belastung sein könnte. Vielleicht hat sie bereits ihre volle Kapazität erreicht (Flughäfen und Transport, Restaurants und Hotels)? Vielleicht besteht kein Appetit, unmittelbar nach dem Ausfall, Investitionskapital bereitzustellen? Es ist allerdings durchaus keine Fantasterei zu glauben, dass eine Abwertung der Währung über die Tourismusbranche zu einer Erholung der Wirtschaft führen kann, auch wenn eine Verdopplung wie im Falle Argentiniens eher unwahrscheinlich ist.

Argentiniens großer Vorteil war jedoch ein glückliches Timing, was für Griechenland nicht der Fall ist. Das weltweite Wachstum war zum damaligen Zeitpunkt sehr stark, nachdem die Fed den Problemen im Fahrwasser der Terroranschläge vom 11. September mit Notzinssenkungen begegnete. Das globale BIP-Wachstum für den Zeitraum von 1992 bis 2001 betrug 3,1% p.a., wuchs aber in den folgenden 10 Monaten auf durchschnittlich 3,9%. China trat im Jahr 2001 der Welthandelsorganisation (WTO) bei, und der globale Handel explodierte. Dies war vor allem für Länder von Vorteil, die nach China lieferten, u.a. Argentinien. Bis zum Ende der Währungsanbindung an den US-Dollar war Argentinien alles andere als wettbewerbsfähig, insbesondere nach der Währungsabwertung in Brasilien in 1999. (Asiatische Währungen wurden ebenfalls abgewertet. O’Connell weist daraufhin, dass lediglich Argentinien und Hongkong ihre Währungsanbindungen beibehielten, und deutet eine Aufwertung des tatsächlichen effektiven Wechselkurses des Pesos um 40% während der 1990-er Jahre an). Das schnelle Wachstum des internationalen Handels und die neu gewonnene Wettbewerbsfähigkeit nach der Währungsabwertung halfen dabei, die Exporte Argentiniens zwischen 2002 und 2006 um 120% steigen zu lassen. Die chinesische Nachfrage nach Sojabohnen wird oft als ein entscheidender Faktor angeführt, doch hält das Mark Weisbrot vom „Guardian“ für übertrieben.

Nach Abkoppelung vom USD haben sich Argentiniens Exporte mehr als verdoppelt

 

Hat Griechenland das Potenzial, sich aus seiner wirtschaftlichen Depression sozusagen herauszuexportieren? Vielleicht, doch macht es die größtenteils für die Landwirtschaft ungeeignete Bodenqualität schwierig. Nahrungsmittel und Fleisch machen gerade einmal 12% der Exporte aus, in Argentinien ist es ein Drittel. Griechenlands größter Exportschlager ist raffiniertes Mineralöl, ein Durchlaufprodukt in harter Währung ohne die Vorteile durch eine Währungsabwertung. Obendrein ist Deutschland der größte Exportpartner Griechenlands, was sich nach einem Ausfall als problematisch erweisen könnte.

Zusammenfassend sei gesagt, dass jene Länder, die sich nach einer Währungsabwertung erholen konnten (Argentinien, Kanada und Schweden) insofern Glück hatten, als ihre Handelsnachbarn zu dem jeweiligen Zeitpunkt ein starkes Wirtschaftswachstum verzeichneten. Griechenland hat weder diesen Luxus noch eine Wirtschaft, die schnell auf eine neue exportorientierte Wettbewerbsfähigkeit reagieren kann. Wir sollten ebenfalls daran denken, dass Argentinien nach der Währungsabwertung und Schuldenumstrukturierung zwar sehr schnell wuchs, das gegenwärtige BIP-Wachstum aber lediglich 0,5% beträgt und die Renditen auf Staatsanleihen in harter Währung bei rund 8% liegen.  Die Abkoppelung vom US-Dollar und die Umstrukturierung der Schulden waren zwar kein permanentes Wundermittel, der Status quo war aber ebenfalls weder zukunftsfähig noch wünschenswert. Die Verantwortlichen in Griechenland werden ähnlich denken.

Die folgende Grafik zeigt die US-Arbeitslosenquote und die Zinsraten der Fed über einen Zeitraum von 45 Jahren.  Wir sehen hier die umfassende Beziehung zwischen beiden, insbesondere die zeitliche Verzögerung zwischen den Zinserhöhungen der Fed und der Zunahme der Beschäftigung, die historisch folgte. Diesmal hat die Fed eine Zinserhöhung aus verschiedenen Gründen verzögert. Wenn sich Geschichte allerdings wiederholt, dann können wir unter Umständen diese Daten nutzen und zum potenziellen Zeitpunkt der Zinserhöhung einige Vorhersagen machen.

Die inhärente Verzögerung in der Geldpolitik

 

1) Im Anschluss an die erste Zinserhöhung tendiert die Arbeitslosenquote dazu, nach 2,25 Jahren ihren Tiefstand zu erreichen.

Bei der Bestimmung des Zeitpunkts für eine Zinserhöhung müssen wir ebenfalls die der Geldpolitik eigene zeitliche Verzögerung berücksichtigen. Wir haben deshalb jede Zinserhöhungsperiode als Einzelfall betrachtet und analysiert, wie viel Zeit seit der ersten Zinserhöhung in einem Zyklus vergeht, bis die Arbeitslosenquote auf ihren Tiefpunkt sinkt. Die Ergebnisse schwankten zwar zwischen 13 Quartalen im Jahr 1976 und fünf Quartalen in 1994, insgesamt aber ergibt sich ein Durchschnitt von 2,25 Jahren. Sollte die Fed also im Laufe des heutigen Tages ihre erste Zinserhöhung bekannt geben, so könnte die Arbeitslosenquote im September 2017 auf ihren tiefsten Stand fallen. Dies könnte allerdings ebenfalls auch zwischen September 2016 und September 2018 geschehen.

Nach Beginn des Zinserhöhungszyklus dauerte es im Durchschnitt 9 Quartale bis zum Tiefpunkt der Arbeitslosigkeit

 

2) Im Anschluss an einen Zinserhöhungszyklus fällt Arbeitslosigkeit tendenziell um 1,2%

In unserem Szenario einer am heutigen Tag eingeleiteten Zinserhöhung stellt sich die Frage, wie sich die Arbeitslosenquote von ihrem Stand von 5,6% gegen Ende des ersten Quartals entwickeln wird. Ein erneuter Blick auf die historischen Fakten zeigt, dass die Arbeitslosenquote im Fahrwasser der ersten Zinserhöhung um 1,2% fällt (in einem Zinserhöhungszyklus, in dem Arbeitslosigkeit später ihre Talsohle erreicht). Dies deutet an, dass im Juni beginnende, konsistente Zinserhöhungen die Arbeitslosenquote auf 4,4% bringen könnte.

Nach Beginn des Zinserhöhungszyklus erreichte die Arbeitslosigkeit historisch einen Tiefpunkt nach einem durschnittlichen Rückgang von 1,16%

 

3) Je nach dem Zeitpunkt der Zinserhöhungen könnte die Arbeitslosigkeit auf 4,4-3,6% fallen.

Unter Einbeziehung der Ergebnisse aus der obigen Grafik können wir, sollte die Fed in einer ihrer nächsten vier Sitzungen die Zinsen erhöhen, mit den historischen Durchschnittswerten ein mögliches Spektrum für die zukünftige Arbeitslosenquote definieren. Sollte die Fed ihre Zinserhöhung bis zum März nächsten Jahres aufschieben, so könnte die Arbeitslosigkeit im Juni 2018 auf 3,6% fallen, die niedrigste US-Arbeitslosenquote seit mindestens 45 Jahren.

Arbeitslosigkeitsprognosen

 

Die Fed hat ihre Zinserhöhung angesichts des bis dato geringen Lohndrucks aufgeschoben. Zudem machten das Ausmaß der Finanzkrise sowie die mangelnde Flexibilität von Zinserhöhungen rund um die Nullmarke einen weniger traditionellen Zinszyklus notwendig.  Wie wir aber bereits früher kommentierten, sind die Arbeitsmärkte nicht nur in einem guten Zustand, sondern nähern sich der Vollbeschäftigung. Zusammenfassend ergibt sich aus diesen Analysen und unter Ableitung der gegenwärtigen Trends im Wachstum der Beschäftigungszahlen, dass die Fed ihre erste Zinserhöhung nicht in das nächste Jahr aufschieben wird. Angesichts der aktuellen Wirtschaftstrends und der der Geldpolitik inhärenten Verzögerung deutet sich eine kurz bevorstehende Zinserhöhung an.

Ich habe mich in den letzten Tagen ein wenig mit der Performance von Unternehmensanleihen mit Investment Grade (IG) beschäftigt. Das folgende Diagramm zeigt die Bandbreite der Asset Swap (ASW) Spreads für USD BBB 5-10-jährige Unternehmensanleihensektoren im bisherigen Jahresverlauf (YTD).

Performance von USD BBB 5-10-jähriger Unternehmensanleihen seit Jahresbeginn

 

Hier sind meine 3 wichtigsten Schlussfolgerungen:

  1. Positiv ist, dass sich der Spread des USD-BBB-Index in seiner Gesamtheit um 18 Basispunkte (Bp) verengt hat (YTD). Dies mag bescheiden sein, doch half die Verengung die Kapitalverluste für Anleger in Unternehmensanleihen – bedingt durch die steigenden Renditen auf US-amerikanische Staatsanleihen – zumindest teilweise auszugleichen.
  2. Es kommt nicht überraschend, dass in einem Umfeld mit anziehenden Ölpreisen die beste Outperformance von Energiewerten kam (76 Bp YTD). Andere Sektoren mit hohen Spreads (d.h. Sektoren, die weiter sind als der Indexdurchschnitt) haben YTD ebenfalls eine gute Performance verzeichnet, beispielsweise Banken mit einer Verengung von 28 Bp und Grundstoffe mit 15 Bp.
  3. Sektoren mit niedrigen Spreads (d.h. Sektoren, die enger sind als der Indexdurchschnitt) haben deutlich schlechter abgeschnitten und allesamt eine Underperformance hinnehmen müssen. In Bezug auf Spreads war die Mehrheit YTD flach, während sich einige Sektoren geweitet haben (Immobilien um 11 Bp, Medien um 14 Bp und Versorger um 15 Bp). Innerhalb der Sektoren mit niedrigen Spreads zeigten Telekommunikationswerte die herausragende Performance. Sie verengten sich seit Jahresbeginn um 14 Bp.

Das folgende Diagramm ist eine Nachbildung der ersten Abbildung, doch konzentriere ich mich diesmal auf EUR BBB 5-10-jährige Unternehmensanleihensektoren.

Performance von EUR BBB 5-10-jähriger Unternehmensanleihen seit Jahresbeginn

 

Hier sind unsere wichtigsten Ergebnisse zur EUR-Marktwertentwicklung:

  1. Im bisherigen Jahresverlauf hat sich der EUR-BBB-Indexspread insgesamt verengt, wenn auch nur um lediglich 5 Bp. Absolut war die Verengung also deutlich weniger ausgeprägt als bei USD-BBB-Unternehmensanleihen. Es sollte allerdings angemerkt werden, dass EUR-BBB-Spreads zu Jahresbeginn einen wesentlich niedrigeren Ausgangspunkt hatten (128 Bp), als USD-BBB-Spreads (190Bp).
  2. Wie bei USD BBB Unternehmensanleihen kam die überragende Performance vom Energiesektor, der sich um 136 Bp verengte. Die restlichen EUR-Outperformer – Einzelhandel (9Bp), Banken (12 Bp enger), Gesundheit (12 Bp enger) und Transport (24 Bp enger) – verteilen sich im Gegensatz zu der Konzentration von Outperformern in USD-BBB-Unternehmensanleihensektoren mit hohen Spreads mehr oder weniger ausgeglichen. Die Verengung um 47 Bp (YTD) und die weite Spread-Palette im Freizeitsektor sollten allerdings nicht überbewertet werden. Der EUR-BBB-Index enthält zurzeit nur eine einzige Anleihe (ACFP 2.625 21) in dieser Kategorie, weshalb idiosynkratische Risikofaktoren die sektorspezifische Dynamik überschreiben.
  3. Neun EUR-BBB-Sektoren haben sich in diesem Jahr geweitet. Der Automobilsektor (10 Bp weiter), Medien (12 Bp weiter), Versorger (19 Bp weiter) und Finanzdienstleister (20 Bp weiter) verzeichneten in diesem Jahr die schlechteste Spread-Performance. Unter den Sektoren mit niedrigen Spreads sind im Gegensatz zu den USD-BBB-Sektoren keine individuellen Underperformer sonderlich überrepräsentiert.

Die oben genannten Aspekte haben Auswirkungen für Relative-Value-Anleger. USD-BBB-Unternehmensanleihensektoren mit Energie an der Spitze konnten im bisherigen Jahresverlauf eine beeindruckende Performance vorlegen. Das Relative-Value-Argument für USD-Unternehmensanleihen mit IG in diesen Sektoren ist daher deutlich weniger stark, als das noch zu Jahresanfang der Fall gewesen war. Die Spreads im Bankensektor, in Energie und bei Grundstoffen liegen derzeit im ersten Quartil ihres jeweiligen Spread-Bereichs (YTD), was im Kontext ihrer jüngsten Spread-Geschichte auf ein enges Niveau deutet. Die Differenz zwischen Sektoren mit hohen und niedrigen Spreads hat sich zudem verringert. Beispielsweise konnten USD-Anleiheinvestoren zu Jahresbeginn eine beträchtliche Ausweitung der Spreads (153 Bp) mitnehmen, indem sie von eher defensiven Verbrauchsgüteranleihen in zyklische, volatile Energieanleihen umschichteten. Diese Spread-Differenz hat sich seitdem um mehr als 50% auf 73 Bp reduziert. Uns erscheint dies als keine besonders großartige Entschädigung für die deutlich höhere Spread-Volatilität, denen die Halter dieses Anleihetyps ausgesetzt sind.

Im EUR-BBB-Universum existiert kein einziger Sektor, der zur Zeit im ersten Quartil seines respektiven YTD-Spread-Bereichs handelt. Tatsächlich liegen mehrere Sektoren im Augenblick auf (Versicherungen, Automobilsektor, Versorger und Investitionsgüter) oder nahe (Grundstoffe, Technologie & Elektronik) dem Niveau ihrer in diesem Jahr höchsten Ausweitung. Es könnte also argumentiert werden, dass diese Sektoren im Vergleich mit ihrer Spread-Geschichte einen attraktiven relativen Wert bieten. Dessen ungeachtet sind die EUR-Spread-Bereiche im bisherigen Jahresverlauf unter Umständen aufgrund der Euphorie über die quantitativen Lockerungsmaßnahmen im ersten Quartal auf niedrigere Spread-Values ausgerichtet. Die aktuellen Values erscheinen deshalb im Vergleich zu weit. Hinzu kommt, dass die wachsenden Sorgen um einen Grexit und die möglichen Folgen für die Eurozone das Potenzial besitzen, in Zukunft einen Aufwärtsdruck auf die EUR-BBB-Spreads auszuüben. Letztlich sollte hervorgehoben werden, dass auf Indexebene USD-BBB-Spreads gegenüber EUR-BBB-Spreads eine Outperformance von 13 Bp (YTD) erzielt haben, sich aber immer noch ein recht ansehnlicher Spread-Durchschnitt von fast 50 Bp mitnehmen lässt, wenn von EUR- zu USD-BBB-Unternehmensanleihen umgeschichtet wird.

Im Allgemeinen sind die relativen Werte bei den IG-Credit-Spreads gegenwärtig anständig und in Bezug auf Unternehmensanleihen konstruktiv, insbesondere im USD-Markt. In Zeiten mit niedrigen Zinsen bieten Credit Spreads eine zusätzliche Renditequelle für Anleiheinvestoren. Sofern die Korrelation zwischen Zinsen und Credit Spreads unter der historischen Norm von 1,0 bleibt, ergeben sich zudem Diversifikationsvorteile. In diesem Zusammenhang können IG-Credit-Spreads dabei helfen, wie es auch in der ersten Jahreshälfte der Fall war, die Auswirkungen steigender Zinsen für Anleiheinvestoren abzumildern.

 

Als Value-Anleger würden wir im Allgemeinen zustimmen, dass jeder finanzielle Vermögenswert seinen Preis hat. Nur wenige Angebote an den Anleihemärkten erfüllen alle Erwartungen, doch sind wir für gewöhnlich optimistisch, wenn wir angemessen entschädigt werden und bestimmte Bedingungen unseren Vorstellungen entsprechen.

Am 4. Juni beschaffte sich XPO Logistics, ein in den USA ansässiger Logistikonzern, Kredite mit einem äquivalenten Volumen von 2 Mrd. USD (in Euro und US-Dollar), um seine Akquisition des französischen Logistikunternehmens Norbert Dentressangle zu finanzieren. Pro forma macht die Akquisition XPO Logistics zu einem der Top-10 Player weltweit. Die Jahresumsätze werden sich auf fast 9 Mrd. USD belaufen, und das Unternehmen erhält in einem fragmentierten europäischen Markt eine größere Gewichtung und Präsenz. XPO Logistics besitzt Verträge mit langen Laufzeiten und hohen Verlängerunsquoten und einer eingeschränkten Kundenkonzentration, hat eine Unternehmensführung mit gutem Ruf und der Erfahrung, Akquisitionen zu integrieren sowie eine gute Erfolgsbilanz, wenn es um die Kapitalbeschaffung von staatlichen Anlegern geht. Des Weiteren sollten sich die Investitionsausgaben in den kommenden Jahren reduzieren und einen besseren freien Cashflow ermöglichen, der zur Schuldenreduzierung genutzt werden könnte. Das Unternehmen verfügt außerdem über eine angemessene Liquidität, einen Unternehmenswert von fast 4 Mrd. USD, einen sich in den letzten 12 Monaten fast verdoppelten Aktienkurs und könnte durchaus auch weiterhin von der mehrjährigen Sektorkonsolidierung profitieren.

XPO Logistics

Wo also ist das Problem? Erstens ist die Unternehmensverschuldung erheblich. Auf Basis unserer Berechnungen ist die gegenwärtige Verschuldung annährend sechsmal höher als EBITDA. Die Anleihebedingungen lassen sogar noch weitere Schulden zu, vielleicht mit Blick auf zusätzliche Akquisitionen. Zu einem großen Teil, wenn auch nicht vollständig, erklären sich die mittelmäßigen Ratings von Moodys (B1) und S&P (B) durch diese Verschuldung. Zweitens ist es unwahrscheinlich, dass es der ‘Asset light’-Charakter des Unternehmens den Gläubigern leicht machen wird, ihre Forderungen im Falle einer unternehmerischen Krise zu befriedigen. Drittens würden wir angesichts der geografischen Trennung außerdem die potenziellen Synergien zwischen dem existierenden XPO-Geschäft und Norbert Dentressangle in Frage stellen und in Zukunft einige Integrationsschwierigkeiten erwarten. Viertens handelt es sich hier um eine Branche mit historisch niedrigen Margen und ziemlich niedrigen Eintrittsbarrieren. Letztlich bereitete uns der in den Anleiheverträgen gebotene Schutz einige Kopfschmerzen. Die Covenants sind im Großen und Ganzen locker gehalten, sodass es dem Unternehmen möglich ist, erhebliche Schulden zu machen, die der neuen Anleiheemission gegenüber Vorrang hätten und eine Kompensierung von Ausfällen weiter erschweren würden. Die Garantien kommen nur von einem relativ kleinen Teil des Geschäfts und es könnten Dividenden an die Anteilseigner ausgezahlt werden, selbst wenn dies im Moment nicht vorgesehen ist.

Kommen wir aber nun zur Frage des Werts zurück. Mit einem Kupon von 5,75% auf den 6-jährigen Europapieren bzw. 6,5% auf den 7-jährigen USD-Papieren und vor allem dem eingeschränkten Rückkaufschutz – es ist erlaubt, die Anleihe in den nächsten Jahren zu refinanzieren – kamen wir letztendlich zu dem Schluss, dass wir durch dieses Finanzpapier nicht ausreichend entschädigt werden und unsere Zielrendite für diesen Namen verfehlt würde. Dies gesagt muss aber auch eingeräumt werden, was ein ehemaliger Kollege zu sagen pflegte: „Diese Renditen sind keine Hausnummern.“ Es kann durchaus sein, dass sich in Zukunft ein besserer Einstiegszeitpunkt bietet. Wir haben unser Research abgeschlossen und werden die Anleihen genau beobachten.

Zum Schluss sollte ich noch darauf hinweisen, dass der Großteil des hervorragenden Research in erster Linie von unserem Analystenteam geleistet wird. In diesem Fall muss ich mich bei Miriam Hehir bedanken.

 

Monat: Juni 2015

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