Die Inflationserwartungen in den USA und Europa laufen in letzter Zeit in unterschiedliche Richtungen, und das ist natürlich keine echte Überraschung. Schließlich lag das jährliche BIP-Wachstum in den USA im vierten Quartal 2018 bei einer gesunden Rate von real 2,6%. Die Arbeitslosenquote ist unter 4% gesunken, was den Druck auf die Löhne erhöht, während sich die Konjunkturindikatoren wie EMIs auf einem stark expansiven Niveau befinden. Im Gegensatz dazu haben sich die Konjunkturaussichten für den Euroraum im Laufe des vergangenen Jahres deutlich eingetrübt. Die italienische Wirtschaft schrumpfte im vierten Quartal 2018 und Deutschland konnte nur knapp ein Abrutschen in die Rezession vermeiden. Infolgedessen gingen europäische EMIs im Sturzflug nach unten.
Vor diesem Hintergrund macht die Spreadausweitung der amerikanischen gegenüber der europäischen Inflationserwartung durchaus Sinn. Ich würde jedoch behaupten, dass das Ausmaß der Bewegung ziemlich extrem war. Vergleicht man die 10-jährigen Inflationsbreakeven-Raten, einen Marktproxy für die mittelfristigen Inflationserwartungen, so ist die Differenz zwischen den inflationssicheren US-Staatsanleihen (TIPS) und den deutschen Bund-Linkern (die sich auf die Inflation im Euroraum beziehen) auf über 100 Basispunkte (bps) gestiegen. Um die Zusammenhänge zu verdeutlichen, hat sich der 10-jährige Breakeven-Spread zwischen den USA und Europa seit Ende 2015 mehr als verdreifacht.
Hervorzuheben ist auch, wie unterschiedlich sich die Inflationserwartungen der USA und des Euroraums während der jüngsten Erholung des Ölpreises entwickelt haben. Während die 10-jährigen US-Breakevens in diesem Jahr angestiegen sind (+25 Basispunkte seit Jahresbeginn), zeigten sich die 10-jährigen Breakevens im Euroraum völlig unbeeindruckt und tendierten weiter nach unten (-7 Basispunkte seit Jahresbeginn). Zugegeben, aufgrund niedrigerer Treibstoffzölle in den USA haben Ölpreisbewegungen zumindest über einen kurzen Zeitraum direktere Auswirkungen auf die Inflationszahlen der USA als auf die europäischen Inflationsraten. Wir sollten jedoch lange und gründlich darüber nachdenken, ob der hohe Grad der Korrelation zwischen 10-jährigen US-Breakevens und den Spotpreisbewegungen von Rohöl gerechtfertigt ist. Wenn der Ölpreis in den nächsten zehn Jahren nicht Jahr für Jahr weiter steigt, werden Basiseffekte einsetzen, die die inflationären Auswirkungen der jüngsten Ölpreiserholung eher kurzlebig machen.
Angesichts der Größenordnung der Outperformance gegenüber europäischen inflationsgebundenen Anleihen und der starken positiven Reaktion auf die jüngsten Ölpreisbewegungen bin ich nicht mehr der Meinung, dass US-TIPS besonders attraktiv erscheinen. Da die 10-jährige US-Breakeven-Rate nahe dem Inflationsziel der Federal Reserve von 2% liegt, erscheinen die Bewertungen fair, aber nicht sehr spannend. Im Vergleich dazu bedeuten die gesunkenen Inflationsraten in Europa, dass, solange die Inflation im Euroraum in den nächsten zehn Jahren durchschnittlich über 0,9% liegt, Bund-Linker die nominalen Bundesanleihen übertreffen werden, insofern alles andere gleichbliebt. Dies erscheint mir als ein eher niedriger Schwellenwert, den es zu überwinden gilt. Anders ausgedrückt können sich Anleger derzeit gegen alle Inflationsüberraschungen im Euroraum absichern, indem sie europäische inflationsgebundene Anleihen zu einem ziemlich günstigen Einstiegsniveau erwerben.
Es besteht die allgemeine Auffassung an den Märkten, dass der Konjunkturzyklus den USA folgt – und daher ohne vorherige US-Rezession keine Rezession in einem Industriestaat eintreten kann. Ja, die US-Wirtschaft ist die größte der Welt, und angesichts der allgemeinen Marktstimmung, dass wir uns in einer Spätphase des Zyklus befinden, ist es verständlich, dass sich alle auf die US-Daten und ihre abflachende Zinskurve konzentrieren.
Was in den letzten Monaten jedoch wirklich für Schlagzeilen gesorgt hat, war die Wirtschaft der Eurozone, wo die Daten nach wie vor enttäuschend ausfallen: Das reale Wachstum ist auf dem niedrigsten Stand seit der Staatsschuldenkrise und Italien befindet sich nun offiziell in einer Rezession, nachdem es zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum verzeichnet hat, während Deutschland mit einem Nullwachstum im vierten Quartal nach einem Minus im dritten Quartal an der Grenze liegt.
Nur die Zeit wird zeigen, ob die Eurozone in eine Rezession übergeht. Aber wenn wir eine Rezession in Europa haben und die europäische Kreditvergabe vermutlich unterdurchschnittlich abschneidet, wird das Ausmaß dieser schlechten Entwicklung wahrscheinlich nicht so extrem sein wie das, was wir während der Staatsschuldenkrise 2011/2012 gesehen haben. Dies liegt nicht nur daran, dass die EZB nach wie vor ein bedeutender Investor am Markt ist (durch ihre QE-Investitionen), sondern auch daran, dass sich die Zusammensetzung des Marktes im Laufe der Zeit drastisch verändert hat, was den Index für europäische Unternehmensanleihen stärker diversifiziert hat.
Werfen Sie einen Blick auf die folgenden Grafiken: Auf der linken Seite sehen Sie zwei Darstellungen, wie sich der europäische Investment-Grade-Index seit 2010 verändert hat. Erstens ist die Ausrichtung des Index auf Finanztitel deutlich gesunken, von 53 Prozent im Jahr 2010 auf heute 35 Prozent. Der Finanzsektor ist im Allgemeinen einer der am stärksten betroffenen Sektoren während eines Abschwungs, wie wir es bei der europäischen Staatsschuldenkrise 2011/2012 gesehen haben. Zweitens hat sich die regionale Konzentration des Index verringert, von 85 Prozent in Europa im Jahr 2010 auf heute 76 Prozent. Diese Lücke wurde hauptsächlich von den USA und den Schwellenländern gefüllt, wodurch der Index geografisch nun stärker diversifiziert ist.
Es ist auch interessant, dies mit dem europäischen Markt für Kreditderivate (auf der rechten Seite) zu vergleichen. Auch die Zusammensetzung des Credit Default Swap-Index (iTraxx) hat sich verändert, allerdings in die entgegengesetzte Richtung: Die Ausrichtung auf Finanztitel ist um rund 6 Prozent gestiegen, während die regionale Ausrichtung auf Europa unverändert bei 100 Prozent liegt. Auch wenn es seltsam erscheinen mag, dass sich die Zusammensetzung dieser beiden Indizes in entgegengesetzte Richtungen bewegt hat, gibt es dafür gute Gründe: Der physische Index ist ein Index, der anhand der Marktkapitalisierung gewichtet wird und Unternehmen umfasst, die in Euro emittieren. Der Derivate-Index ist ein gleichgewichteter Index, der nur europäische Unternehmen beinhaltet. Dies bedeutet, dass der physische Index im Laufe der Zeit einige der wichtigsten Entwicklungen am europäischen Kreditmarkt besser erfassen konnte, was diesen Index diversifizierter macht. Der Bankensektor hat im Vergleich zu traditionellen Unternehmen weniger Kredite aufgenommen (da er versuchte, nach der globalen Finanzkrise und der Schuldenkrise in der Eurozone die Erwartungen zu erfüllen und weil seine Anleihen nicht für das QE-Kaufprogramm der EZB zulässig waren, was die Vorteile des Renditerückgangs, die Unternehmensanleihen genossen, verringert hat).
Was bedeutet das alles für Anleger? Erstens, wenn wir eine erneute Rezession im Euroraum erleben, ist es wichtig zu bedenken, dass der Derivate-Index stärker als in der Vergangenheit betroffen sein könnte, während sich der physische Anleihenindex trotz seiner steigenden Ausrichtung auf Anleihen mit BBB (von 48 Prozent im Jahr 2012 auf aktuell 59 Prozent) dank seiner besseren Diversifizierung als relativ widerstandsfähig erweisen könnte. Außerdem hat sich der iTraxx Euro IG Index in jüngster Zeit besser entwickelt als der physische Markt (siehe Grafik unten) und erscheint nun relativ teuer. Diese Faktoren bieten Anlegern die Möglichkeit, das Risiko in ihren Portfolios zu reduzieren bzw. sie abzusichern, indem sie eine Short-Position in diesem Index eingehen (d.h. eine Absicherung kaufen).
Wenn Sie andererseits das Euro-Kreditrisiko erhöhen möchten, aber eine Rezession in der Eurozone im Hinterkopf haben, wären Reverse Yankees ein gutes Mittel. Dabei handelt es sich um in Euro denominierte Anleihen von US-Unternehmen, einem Markt, der in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist und der von einer Rezession in der Eurozone weniger betroffen sein sollte.
Nur die Zeit wird zeigen, ob die Eurozone unmittelbar vor einer Rezession steht. So oder so, die sich in den letzten zehn Jahren verändernde Zusammensetzung des europäischen Kreditmarktes zeigt, dass Anleger sich immer über die Zusammensetzung der Indizes und Märkte, in die sie investieren, im Klaren sein sollten.
Die Schlussfolgerung der Königlichen Kommission von letzter Woche über das Fehlverhalten im australischen Finanzdienstleistungssektor hat zu Recht internationale Schlagzeilen gemacht. Nachdem sie den 1011-seitigen Bericht verdaut hatten, atmeten die Anleger erleichtert auf und trieben australische Banktitel deutlich in die Höhe. Die Ergebnisse und Empfehlungen der Kommission sind in der Publikumspresse (hier) gut dokumentiert worden, und die Diskussionen um sie und ihre Umsetzung werden wahrscheinlich noch Monate, wenn nicht Jahre andauern, so dass wir sie hier nicht alle wieder aufwärmen werden. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die Folgen für Anleger in australischen Bankanleihen und einige wichtige Mahnungen, die Anleiheinvestoren aus dieser Geschichte mitnehmen sollten. Was sind also die wichtigsten Schlussfolgerungen?
- Die Empfehlungen sollten sich trotz der Aussicht auf Geldbußen und mittelfristig höhere Kosten langfristig positiv auf australische Bankanleihen auswirken. Die Australian Prudential Regulation Authority (APRA) hat seit langem den Ruf einer starken Regulierungsbehörde, insbesondere in Bezug auf die Eigenkapitalanforderungen, aber das Regulierungssystem in Australien wird in den Bereichen Durchsetzung, behördenübergreifende Kommunikation und Aufsicht zu Recht gestärkt. Wiedergutmachung, Geldbußen und erhöhte Investitionen in die Führung und Kontrolle bei diesen Banken – was bereits seit Monaten im Gange ist – werden die Rentabilität belasten, aber diese Faktoren sollten sich eher auf die Erträge als auf die Kreditkennzahlen auswirken. Um diese Kosten in einen Zusammenhang zu bringen: Es wird erwartet, dass die Wiedergutmachung nur einen Bruchteil der über 30 Mrd. Pfund beträgt, die die britischen Banken im PPI-Skandal auf sich geladen haben (über 45 Mio. PPI-Policen wurden im Vereinigten Königreich verkauft).
- Bankinvestoren müssen nicht nur einzelne Anleihen, sondern das Bankensystem als Ganzes berücksichtigen. Es gibt viele Beispiele, in denen Banken Herdenverhalten an den Tag legen – von US-Subprime-Hypotheken in den frühen 2000er Jahren bis hin zum oben erwähnten britischen PPI-Skandal. Die Bewertung des Makro- und Wettbewerbsumfelds einer Bank ist eine Möglichkeit, um die Stärke des Bankensystems zu bewerten, aber auch das Verständnis von Kultur und Kontrolle ist wichtig, da es oft Ähnlichkeiten zwischen Banken in einer bestimmten Region gibt. Das Verständnis der regulatorischen Rahmenbedingungen ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da etwaige Schwachstellen als Aufforderung zu Fehlverhalten oder zur Bildung übermäßiger Risiken angesehen werden können. Um es klar zu sagen: Die Schuld für Fehlverhalten liegt bei den Banken selbst, aber es stimmt auch, dass Anleiheinvestoren in gewissem Maße darauf angewiesen sind, dass die Aufsichtsbehörden die Institute überwachen, um sicherzustellen, dass die Risiken gut gemanagt werden.
- Die Führungsstärke von Finanzinstituten ist schwer zu beurteilen, aber Anleger müssen es trotzdem versuchen. Es ist bekanntlich schwierig für Außenstehende, die Stärke der Unternehmensführung und Risikokultur bei großen und komplexen Finanzinstituten vollständig zu erfassen. Aber Investoren können Einblicke in die Erfolgsbilanz eines Unternehmens, die Zusammensetzung des Vorstands, die Erfahrung des Managements und die Offenlegung erhalten. Vielleicht noch wichtiger ist, wie die Geschäftsführung auf frühere Fälle von Fehlverhalten reagiert hat. Treffen mit den Unternehmensleitungen und das Stellen kritischer Fragen können ebenfalls von Vorteil sein, insbesondere beim Vergleich der Antworten verschiedener Institutionen.
Nach diesem Bericht und der voraussichtlichen Übernahme seiner Empfehlungen werden australische Banken unter anderem erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Compliance- und Vergütungspolitik zu ändern. Sie werden diese Probleme rechtzeitig angehen, während sie gleichzeitig mit einer stärkeren Regulierung konfrontiert werden. In Verbindung mit der Entscheidung der Kommission, die Banken nicht zu zwingen, die Bereiche Banking, Versicherungen und Vermögensverwaltung zu trennen und keine wesentlichen Änderungen an den Kreditstandards vorzunehmen, sollten Anleiheinvestoren den Abschlussbericht positiv bewerten. Insgesamt sollte der Skandal die Anleger auch an die Risiken der Herdenmentalität und die Bedeutung einer guten Regulierung, Aufsicht und Kontrolle bei Finanzinstituten erinnern.
Wie aus der folgenden Grafik ersichtlich wird, sind sowohl die Aktien als auch die Anleihen der Banken nach Veröffentlichung der Ergebnisse in die Höhe geschossen.