Achtung „Widow-Maker“!

In meinen 25 Jahren an den Anleihemärkten gab es schon immer ein Börsengeschäft, das als „Widow-Maker“ bekannt wurde. Eines davon war die Untergewichtung in langlaufenden Staatsanleihen zu einer Zeit, als neue Pensionsregelungen die Renditen in die Höhe trieben, und auch die Short-Position im japanischen Anleihenmarkt wurde zum Verhängnis, als die Bank of Japan die Zinsen auf Null senkte. Heute werden „Witwen und Witwer“ auf dem Markt für Bundesanleihen erzeugt. Die Renditen von 10-jährigen Bundesanleihen notieren nun auf Rekordtiefständen: Anleiheinvestoren zahlen 31 Basispunkte pro Jahr für das Privileg, dem deutschen Staat Kredite zu gewähren.

Wenn die Renditen kollabieren, werden die Prognosen und Erwartungen schnell nach unten korrigiert. Nach der Rede von Mario Draghi in der vergangenen Woche spekulierte sogar eine Investmentbank, dass die Rendite von 10-jährigen Bundesanleihen von -0,31% auf -2% fallen könnte! Wie irrsinnig ist das? Nun, Draghi war unglaublich gemäßigt und seine Rede lässt sich leicht so interpretieren wie seine berühmte „Whatever it takes“-Äußerung inmitten der Eurokrise 2012. Wir hatten bereits mehr als 2 Billionen Euro an quantitativen Lockerungsmaßnahmen (QE), negative Zinsen, Prognosen, die versprechen, die Zinsen niedrig zu halten, und billige Kredite an Banken. Was könnten wir noch bekommen?

Nun, mehr von alledem. Draghi ist wie versteinert angesichts des Einbruchs der Inflationserwartungen in der Eurozone und eines Kern-Verbraucherpreisindex von nur 0,8%, zusätzlich zu den erschreckenden Produktionszahlen und drohenden Handelskriegen. Da sich die Fed für mehrere Zinssenkungen in den USA bereit macht, wertet der Euro auch gegenüber dem US-Dollar auf, was für weiteren Gegenwind für die Wirtschaft der Eurozone sorgt. In diesem Zusammenhang sprach er davon, dass sich die EZB nicht mit „einer zu niedrigen Inflation“ abfindet, und er erwähnte Abwärtsrisiken für die Wirtschaft. Es müssen deutliche Verbesserungen eintreten oder es sind weitere Lockerungen „erforderlich“. Dies dürfte eine weitere Absenkung des Einlagezinssatzes der EZB in den negativen Bereich mit sich bringen (die EZB hat endlich mit ihrer negativen Zinspolitik Frieden geschlossen) sowie die Wiederaufnahme der quantitativen Lockerungsmaßnahmen.

Diese Wiederaufnahme der quantitativen Lockerungsmaßnahmen verursacht jedoch mehr Probleme für die politischen Entscheidungsträger. Obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärt hat, dass quantitative Lockerungsmaßnahmen rechtmäßig sind (es sei denn, sie dienen dazu, die Ausfallerwartungen des Marktes zu verschleiern), gibt es Grenzen dafür, wie viele Anleihen die EZB kaufen darf. Diese liegen aktuell bei 33% aller im Umlauf befindlichen Emissionen und das ist ein Problem, wenn die Deutschen keine Bundesanleihen mehr emittieren. In seinem Streben nach der „schwarzen Null“ erzielt Deutschland jedes Jahr einen Haushaltsüberschuss, der in den letzten Jahren deutlich gesunken ist. Dies bedeutet, dass außergewöhnlich wenige Bundesanleihen emittiert werden und die EZB schnell die Grenze erreicht, wie viele Anleihen sie im Rahmen eines neuen QE-Programms kaufen kann. Der Markt erwartet, dass die 33%-Grenze im Falle von neuen QE-Maßnahmen auf 50% angehoben wird, aber – um die „-2%-Prognose“ der Investmentbank zu zitieren – Bundesanleihen sind „knappe Kartoffeln“. Eine quantitative Lockerung wird die Anleiherenditen weiter verringern, aber bei Bundesanleihen wird dieser Rückgang noch stärker ausfallen.

Wie kommt man also von einer Rendite von -31 Basispunkten auf eine Rendite von -200 Basispunkten? Nun, der Einlagenzins müsste aggressiv gesenkt werden, von den aktuellen -40 Basispunkten auf -120 Basispunkte. Was bedeutet das für die fragilen Banken in Europa? Werden sie unrentabler? Horten Haushalte und Unternehmen ihr Geld in Tresoren, um negative Zinsen zu umgehen? Zudem müsste die deutsche Zinsstrukturkurve auf ein ähnliches Niveau wie in Japan abflachen (die Renditen von langlaufenden Anleihen müssten stärker zurückgehen als die Renditen von Papieren mit kürzerer Laufzeit) und die „knappen Kartoffeln“ müssten im Vergleich zu anderen europäischen festverzinslichen Vermögenswerten teurer werden. Wir kommen immer noch auf die Frage zurück: Ist es logisch, jemanden zu bezahlen, um ihm Geld leihen zu können? Doch wir müssen auch auf die vielfach zitierten Worte von John Maynard Keynes zurückkommen: „Die Märkte können länger unlogisch bleiben, als man zahlungsfähig bleiben kann“. Achtung „Widow-Maker“!

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Investment Week. Hier lesen

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Jim Leaviss

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